Der Bund hat sich verhoben

Für die geplanten Bahnstrecken fehlen über 20 Milliarden Euro/ Politische Nettigkeiten rächen sich jetzt

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Von Wolfgang Mulke

05. Mär. 2010 –

Der Ausbau des bundesweiten Schienennetzes ist an vielen Stellen gefährdet. Denn der Bund hat weit mehr versprochen, als er nun halten kann. "Es fehlen weit über 20 Milliarden Euro, um das alles zu finanzieren", sagt der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Winfried Hermann von den Grünen. Jetzt droht ein monatelanges Geschacher um die Prioritäten im Streckennetz.

Die Fakten liegen nun auf dem Tisch, nachdem wochenlang über ominöse Streichlisten spekuliert wurde. Dabei gibt es die abschließende Aufzählung der toten Projekte noch gar nicht. Die Bahn hat lediglich alle Vorhaben einmal aufgeführt und in finanzierte und noch nicht mit Mitteln bedachte Bauten unterteilt. Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd genug. Nur für den Bau von 33 Trassenabschnitten ist in der Haushaltsplanung Geld vorgesehen. Dazu gehört etwa das Projekt Stuttgart 21, ein Teil des Streckenausbaus von Emmerich nach Oberhausen oder der
Rheinschiene von Karlsruhe nach Basel. Schon in der zweiten Kategorie stehen große Fragezeichen hinter den Vorhaben. Bei den betroffenen sieben Bauten wird zwar die Planung finanziert. Doch für die spätere Fertigstellung ist noch kein Euro gesichert. Das betrifft zum Beispiel die Verbindung von Ulm nach Lindau, aber auch ein regionale so wichtiges Projekt wie den Rhein-Ruhr-Express (RRX) von Düsseldorf nach Duisburg oder die so genannte Y-Trassen von Hamburg und Bremen nach Hannover.

Für mehr als 50 Vorhaben, für die ein dringender Bedarf gesehen wird, gibt es bisher überhaupt keine Finanzierungsgrundlage. Dazu gehören viele bedeutsame Planungen wie der Schienenneubau zwischen Frankfurt und Mannheim, die Rheinbrücke nach Basel und der Ausbau der Trasse zwischen Köln und Aachen. Schließlich umfasst eine vierte Aufstellung noch 16 international vertraglich vereinbarte Projekte, deren Bezahlung noch in den Sternen steht. Dazu gehören die Strecken von Dresden und Nürnberg nach Tschechien, der viergleisige Ausbau der Rheinschiene, der Ausbau Düren-Aachen oder die Verbindung von Dresden nach Berlin. Jährlich müssten 1,8 Milliarden Euro aufgebracht werden, damit die Strecken in diesem Jahrzehnt fertig werden. Tatsächlich weist die Haushaltsplanung 600 Millionen Euro weniger aus. Bis zum Ende der Planungszeit 2025 fehlt ein zweistelliger Milliardenbetrag.

"Die größten Sorgen bereitet uns die vierte Kategorie", räumt Grube ein. So hat die letzte Regierung zum Beispiel mit Dänemark eine Brücke über den Fehmarnbelt vereinbart. Wie die Bahnanbindung bezahlt werden kann, interessierte bei dem Renommierprojekt nicht. Grubes Furcht ist, dass die teuren Prestigetrassen aufgrund der internationalen Verpflichtungen durchgezogen werden, und für die für den reibungslosen Verkehr wichtigen Bauten kein Geld mehr da ist.

Das Finanzierungsproblem erkennen alle Parteien. Nun soll
Verkehrsminister Peter Ramsauer Farbe bekennen. Der Minister hat sich zuletzt für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene stark gemacht, allerdings nur verbal. Ein griffiges Verkehrskonzept steht noch aus. Und es erscheint zweifelhaft, ob Ramsauer selbst bei bestem Willen auch nur einen Euro zusätzlich bekommt. Die Deutsche Bahn wird wohl einige hundert Millionen Euro jährlich zusätzlich für die Infrastruktur herausrücken müssen. Denn die Koalition fordert, dass die Gewinne aus dem Netzbetrieb wieder investiert werden, statt den Gewinn des Konzerns zu erhöhen. Abgeordnete der Grünen und der SPD wollen die Bedarfsplanung noch einmal nach wichtigen und unwichtigen Posten durchforsten lassen. Denn viele der zugesagten Projekte dienen eher Zugeständnissen an mosernde Landräte und Bürgermeister als einem reibungslosen Gesamtnetz. Am Ende wird vermutlich keine Streichliste stehen, aber ein neuer Zeitplan. Die wichtigen Strecken werden gebaut, nur wann, das ist die Frage.

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