Der Chef ist eine Frau

Serie "Familie und Wirtschaft" Teil 4

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Von Hannes Koch

20. Dez. 2012 –

In keinem anderen börsennotierten Unternehmen arbeiten mehr Frauen im obersten Management als beim Marktforscher GfK in Nürnberg. Zwei von vier Vorständen sind weiblich, und drei von zehn Aufsichtsräten. Damit steht die Firma an der Spitze des Woman-on-Board-Index. Dieser zeichnet alljährlich auf, wieviele Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen sitzen.

 

Während in Brüssel und Berlin eine mühsame Debatte darüber stattfindet, wie Frauen einen angemessenem Einfluss in wirtschaftlichen und politischen Spitzenpositionen erhalten, schaffen Firmen wie GfK Fakten. „Wir sind ein international geprägtes Unternehmen. Deshalb spielt Vielfalt eine große Rolle“, begründet Sprecherin Marion Eisenblätter ein Motiv. Die GfK will in der Zusammensetzung ihrer Mitarbeiter die gesellschaftliche Realität abbilden. Viele Führungspositionen im Ausland werden deshalb mit Bewerbern aus dem jeweiligen Kulturkreis besetzt. Und der Frauenanteil hierzulande steigt in Richtung ihres Anteils an der Bevölkerung – rund 50 Prozent. 

 

Was nach einer Kopfgeburt oder einer zufälligen Entwicklung aussehen könnte, bringt erhebliche Vorteile. Indem das Unternehmen sich nicht vornehmlich auf männliche Spitzmanager verlässt, steht ihm eine größere Zahl möglicher Kandidaten und Kandidatinnen für freie Stellen zur Verfügung. Damit wächst auch die Chance, wirklich die beste Bewerberin oder den besten Bewerber auszuwählen. Die Mehrheit der hiesigen Unternehmen ergreift diese Chance bisher jedoch kaum. Zwar ist etwa die Hälfte der angehenden Akademiker an deutschen Hochschulen weiblich, in unternehmerischen Spitzenpositionen sind die Frauen aber nur zu zehn Prozent vertreten. Die deutsche Wirtschaft leistet es sich, viele der vorhandenen Qualifikationen und potenziellen Bewerberinnen zu ignorieren.

 

Einerseits geht es um Gleichberechtigung und modernes Familienleben. Viele Frauen möchten eine professionelle Karriere verwirklichen und gleichzeitig ein erfülltes Familienleben genießen. In der Praxis ist diese Vorstellung aber oft nicht durchzuhalten. Die Konsequenz: 77 Prozent der weiblichen Führungskräfte verzichten lieber auf Kinder. Frauen, wie Telekom-Managerin Jeannette von Ratibor, die vier Kinder und einen Spitzenjob vereinbaren sind selten.

 

Andererseits entdecken manche Unternehmen allmählich, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, die neuen Ansprüche zu berücksichtigen. Denn die betriebswirtschaftlichen Perspektiven stehen auf dem Spiel. Der Grund: Die deutsche Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten schrumpfen. Schon 2025 könnten mehrere Millionen Arbeitskräfte fehlen. Spätestens dann dürfte es kaum noch möglich sein, auf Frauen zu verzichten. Daher scheint es besser, die Firmen würden sich  heute bereits auf die Zukunft einstellen.

 

Trotzdem tut sich nicht viel. GfK ist eher eine Ausnahme. Wie der Woman-on-Board-Index ausweist, liegt der durchschnittliche Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften bei 8,7 Prozent. In einem Drittel der Gesellschaften sind die Führungsgremien komplett mit Männern besetzt.

 

EU-Justizkommisarin Viviane Reding will deshalb eine verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte von 40 Prozent bis 2020 festschreiben. Richtig oder falsch? Auch in Deutschland ist die Debatte im Gange. Während den Gegnern die Quote zu starr erscheint, halten Befürworter sie für notwendig. Begründung: Nur wenn die Zahl der Frauen in den Führungsetagen eine kritische Masse erreicht, bekommen Bewerberinnen auch eine faire Chance.

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Serie Familie und Wirtschaft

Teil 4

 

Der Chef ist eine Frau

 

Von Hannes Koch

 

In keinem anderen börsennotierten Unternehmen arbeiten mehr Frauen im obersten Management als beim Marktforscher GfK in Nürnberg. Zwei von vier Vorständen sind weiblich, und drei von zehn Aufsichtsräten. Damit steht die Firma an der Spitze des Woman-on-Board-Index. Dieser zeichnet alljährlich auf, wieviele Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen sitzen.

 

Während in Brüssel und Berlin eine mühsame Debatte darüber stattfindet, wie Frauen einen angemessenem Einfluss in wirtschaftlichen und politischen Spitzenpositionen erhalten, schaffen Firmen wie GfK Fakten. „Wir sind ein international geprägtes Unternehmen. Deshalb spielt Vielfalt eine große Rolle“, begründet Sprecherin Marion Eisenblätter ein Motiv. Die GfK will in der Zusammensetzung ihrer Mitarbeiter die gesellschaftliche Realität abbilden. Viele Führungspositionen im Ausland werden deshalb mit Bewerbern aus dem jeweiligen Kulturkreis besetzt. Und der Frauenanteil hierzulande steigt in Richtung ihres Anteils an der Bevölkerung – rund 50 Prozent. 

 

Was nach einer Kopfgeburt oder einer zufälligen Entwicklung aussehen könnte, bringt erhebliche Vorteile. Indem das Unternehmen sich nicht vornehmlich auf männliche Spitzmanager verlässt, steht ihm eine größere Zahl möglicher Kandidaten und Kandidatinnen für freie Stellen zur Verfügung. Damit wächst auch die Chance, wirklich die beste Bewerberin oder den besten Bewerber auszuwählen. Die Mehrheit der hiesigen Unternehmen ergreift diese Chance bisher jedoch kaum. Zwar ist etwa die Hälfte der angehenden Akademiker an deutschen Hochschulen weiblich, in unternehmerischen Spitzenpositionen sind die Frauen aber nur zu zehn Prozent vertreten. Die deutsche Wirtschaft leistet es sich, viele der vorhandenen Qualifikationen und potenziellen Bewerberinnen zu ignorieren.

 

Einerseits geht es um Gleichberechtigung und modernes Familienleben. Viele Frauen möchten eine professionelle Karriere verwirklichen und gleichzeitig ein erfülltes Familienleben genießen. In der Praxis ist diese Vorstellung aber oft nicht durchzuhalten. Die Konsequenz: 77 Prozent der weiblichen Führungskräfte verzichten lieber auf Kinder. Frauen, wie Telekom-Managerin Jeannette von Ratibor, die vier Kinder und einen Spitzenjob vereinbaren sind selten.

 

Andererseits entdecken manche Unternehmen allmählich, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, die neuen Ansprüche zu berücksichtigen. Denn die betriebswirtschaftlichen Perspektiven stehen auf dem Spiel. Der Grund: Die deutsche Bevölkerung wird in den kommenden Jahrzehnten schrumpfen. Schon 2025 könnten mehrere Millionen Arbeitskräfte fehlen. Spätestens dann dürfte es kaum noch möglich sein, auf Frauen zu verzichten. Daher scheint es besser, die Firmen würden sich  heute bereits auf die Zukunft einstellen.

 

Trotzdem tut sich nicht viel. GfK ist eher eine Ausnahme. Wie der Woman-on-Board-Index ausweist, liegt der durchschnittliche Frauenanteil in den Vorständen und Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften bei 8,7 Prozent. In einem Drittel der Gesellschaften sind die Führungsgremien komplett mit Männern besetzt.

 

EU-Justizkommisarin Viviane Reding will deshalb eine verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte von 40 Prozent bis 2020 festschreiben. Richtig oder falsch? Auch in Deutschland ist die Debatte im Gange. Während den Gegnern die Quote zu starr erscheint, halten Befürworter sie für notwendig. Begründung: Nur wenn die Zahl der Frauen in den Führungsetagen eine kritische Masse erreicht, bekommen Bewerberinnen auch eine faire Chance.

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