Der Gipfel der Bescheidenheit

Wenn am Mittwoch das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos beginnt, ist die Stimmung schlechter als sonst. Die Managerelite steht unter dem Druck der Politik

Teilen!

Von Hannes Koch

25. Jan. 2009 –

Normalerweise weiß Klaus Schwab sehr genau, wie sich die Welt entwickelt. Als Chef des Weltwirtschaftsforums steht der asketische Siebzigjährige mit der Globalisierung und den Weltmärkten auf Du und Du. Doch diesmal, zum 39. Forum, das am kommenden Mittwoch in Davos beginnt, ist vieles anders. Eine größere Wirtschaftskrise als die gegenwärtige hat das World Economic Forum (WEF) im Laufe seiner Existenz noch nicht erlebt. Schwab steht unter Druck, und seine Kundschaft, die Vorstände der großen Konzerne, sowieso.

 

Als informeller Gipfel der Mächtigen aus Wirtschaft und Politik findet das WEF alljährlich im vornehmen Schweizer Skiort Davos statt. Schwabs Organisation lebt von den Mitgliedsbeiträgen der 1.000 größten Konzerne der Welt. Selbstbewusst hatte man sich in den vergangenen Jahrzehnten daran gewöhnt, die globale Tagesordnung zu debattieren und zu bestimmen. In diesem Jahr nun ist Davos von tiefer Verunsicherung geprägt. „Zu feiern gibt es wirklich nichts“, sagt Schwab, „wir leben in einer Zeit der größeren Bescheidenheit“.

 

Die Ursache dieser Zurückhaltung ist offensichtlich. Vieles von dem, was auch das Weltwirtschaftsforum als Wahrheit betrachtete, ist mit der Finanzkrise hinfällig geworden. Das Modell des möglichst freien, möglichst wenig regulierten Weltmarktes, der angeblich trotzdem den meisten Erdenbürgern zum Vorteil gereicht, hat sich zum guten Teil als falsch erwiesen.

 

Stattdessen ist nun die Politik am Zuge. Und das wird sie in Davos auch stärker beweisen, als in den Jahren zuvor. Statt normalerweise 25 Regierungschefs kann Klaus Schwab diesmal fast doppelte so viele Spitzenpolitiker begrüßen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel reist nach längerer Abstinenz wieder in die Schweizer Alpen. Der zahlreiche hohe Besuch ist ein Zeichen der Wertschätzung für das Forum, das intensiven Austausch in ungezwungener Atmosphäre ermöglicht, aber auch des veränderten Verhältnisses zwischen Wirtschaft und Politik.

 

Waren die vergangenen Jahrzehnte gekennzeichnet durch die Herrschaft der Wirtschaft, so kristallisiert sich jetzt im Zuge der Finanzkrise ein neues Primat der Politik heraus. Das Weltwirtschaftsforum scheint sich mit diesem Rollenwechsel einstweilen abgefunden zu haben. So hat man gerade eine aktuelle Untersuchung über die „Zukunft des globalen Finanzsystems“ fertiggestellt. Ergebnis: „Die von uns befragten Personen erwarten innerhalb der kommenden drei Jahre unter anderem eine erweiterte Regulierung des Finanzmarktes und eine stärkere Rolle der Politik“, sagt WEF-Mitarbeiter Max von Bismarck.

 

Eine wirksamere politische Aufsicht über die Banken und Investoren fordern auch die Kritiker des Weltwirtschaftsforums, die vor Jahren eine Konkurrenzveranstaltung zu Davos ins Leben gerufen haben. Das „Public Eye on Davos“ - sinngemäß „Kontrolle durch Öffentlichkeit“ - sieht sich jetzt im Aufwind. Die Kritiker freuen sich, dass einige ihrer Forderungen mittlerweile Inhalt der offiziellen Politik geworden sind. Nicht nur Public Eye plädiert dafür, Staaten und Unternehmen, die Steuerhinterziehung unterstützen, massiv unter Druck zu setzen, auch Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der neue US-Präsident Barack Obama wollen Steueroasen das Leben schwer machen.

 

Der neue Mut der Politik kommt dem Weltwirtschaftsforum und den Unternehmen, die es tragen, nicht gelegen. Aber Klaus Schwab und seine Mitstreiter wissen auch, dass sie zur Zeit in der Defensive sind. Deshalb verlegen sie sich auf eine bescheidenere und zurückhaltendere Taktik als früher: Sie versuchen zu überwintern und im Spiel zu bleiben. WEF-Direktor André Schneider bringt es auf diese Formel: „Wir haben alle zu den Problemen beigetragen. Daraus ergibt sich das Mandat für alle, aktiv an der Lösung mitzuwirken“.

 

« Zurück | Nachrichten »