Der lange Weg der Inflation
Sparserie Teil 1: Preissteigerungen setzen sich von einer Branche zur anderen fort. Sie machen den Verbrauchern zu schaffen. Aber manches wurde im vergangenen Jahr auch billiger: Telefonieren und Reisen zum Beispiel.
14. Jul. 2008 –
Brigitte Meisel kann erklären, wie Preissteigerungen zustandekommen. Bis zu 20 Prozent mehr Geld gibt sie pro Monat für den Diesel-Treibstoff ihrer sieben Autotransporter aus, rechnet die Geschäftsfrau aus Brandenburg vor. Ihre Firma Meisel Autologistik verfrachtet neue und gebrauchte Pkw zu den Autohändlern.
Die eine Hälfte der höheren Dieselkosten „verknust“ die Firma selbst, wie Meisel sagt. Sie spart Leerfahrten ein, kürzt die Ausgaben für Werbung und Sponsoring. Die andere Hälfte reicht sie an ihre Auftraggeber weiter, die einen Dieselzuschlag bezahlen. So setzt sich die Preissteigerung in der Kette der Wirtschaft fort.
„Die Spediteure müssen die Kosten weitergeben. Sonst ist ihre Existenz gefährdet“, begründet Adolf Zobel, Geschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. Um etwa 8.000 Euro seien die Kosten pro Lastzug im vergangenen Jahr gestiegen. Die höheren Dieselkosten der Transporteure verteuern am Ende nicht nur die Pkw, die Brigitte Meisel liefert, sondern auch Milch, Tomaten und T-Shirts – denn im Endpreis fast aller Güter sind Transportkosten enthalten.
Die Inflation ist wieder ein Thema. Nachdem jahrzehntelang relative Preisstabilität herrschte, stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland im Juni im Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,3 Prozent, im europäischen Durchschnitt um vier Prozent. Ökonomen nennen vor allem zwei Ursachen: Die große Nachfrage in boomenden Schwellenländern wie Indien und China hat die Preise für Rohstoffe, Erdöl und Lebensmittel in die Höhe getrieben. Hinzu kommen zunehmende Finanzmarktspekulationen und die Energiepolitik: Deutschland beispielsweise will Erdöl durch Pflanzentreibstoff ersetzen, was die Preiseentwicklung auf dem Agrarmarkt zusätzlich anheizt.
So verzeichnet das Statistische Bundesamt für Nahrungsmittel zwischen Mai 2007 und Mai 2008 ein Preisplus von 7,5 Prozent. Heizöl wurde um 57 Prozent teurer, Kraftstoffe um 12 Prozent, Strom um 7 Prozent. Für den gesamten Bereich der Verkehrsdienstleistungen vermelden die Statistiken einen Anstieg von 4,8 Prozent.
Bislang ist die Inflation „importiert“, wie Ökonom Gustav Adolf Horn vom Institut für Makroökonomie sagt. Die Ursache der Preissteigerung liegt im Ausland. Die große Frage allerdings lautet: Werden die Gewerkschaften im Auftrag ihrer Mitglieder, die als Verbraucher im Supermarkt höhere Preise bezahlen, auch steigende Löhne durchsetzen? Die Lohn-Preis-Spirale würde die Inflation erst richtig in Gang setzen. Bislang deutet freilich wenig darauf hin: Wirtschaftsforscher rechnen nur mit einer Steigerung der gezahlten Bruttolöhne um drei Prozent in diesem Jahr. Ergebnis: Im Durchschnitt haben die Beschäftigten vom Lohnplus keinen Vorteil.
Andererseits erleiden die Verbraucher nicht nur Nachteile. Denn die Inflation betrifft bei weitem nicht alle Waren. So stiegen die Kosten für Gesundheit im vergangenen Jahr nur um 1,6 Prozent, bei Wohnungseinrichtungen waren es 1,4 Prozent. Telekommunikation und Pauschal-Reisen wurden sogar billiger. Mancher Branche gelingt es nicht, die höheren Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Ein Beispiel dafür ist das Gaststättengewerbe. Obwohl die Nahrungsmittel zwischen um 7,5 Prozent teurer wurden, erhöhten Hotels, Kneipen und Restaurants ihre Endpreise nur um zwei Prozent. Die Konkurrenz ist groß, und gleichzeitig beschweren sich die Kunden über stagnierende Löhne. Da trauen sich nur wenige Gastwirte, den Bierpreis anzuheben.