Der Motor läuft rund
Die Deutsche Wirtschaft ist 2016 stärker gewachsen als erwartet. Der Staat kann einen stattlichen Überschuss vermelden. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
13. Jan. 2017 –
Warum geht es der Wirtschaft so gut?
Der Wirtschaftsmotor läuft in fast allen Bereichen rund. Überdurchschnittlich entwickelte sich das Baugewerbe mit einem Plus von 2,8 Prozent. Spitzenreiter sind die Kommunikationsbranchen mit einem Zuwachs um drei Prozent. Ins Minus ist gar keine Sparte gerutscht. So stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die gesamte Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent an.
Haben auch die Arbeitnehmer etwas von der guten Entwicklung?
Nachdem die Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig vom Aufschwung profitieren konnten, wächst ihre Kaufkraft jetzt wieder an. Im vergangenen Jahr stiegen die Löhne und Gehälter nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Durchschnitt um 3,6 Prozent und damit stärker als die Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Ein Teil des Zugewinns wurde durch höhere Sozialabgaben wieder aufgezehrt. Die verfügbaren Einkommen stiegen deshalb nur um 2,8 Prozent. Da die Teuerungsrate leicht darunter lag, erhöhte sich die Kaufkraft der Erwerbstätigen. Außerdem hat sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verbessert. „Die Erwerbslosenquote hat sich seit ihrem Höchststand 2005 von 10,3 Prozent mehr als halbiert“, sagt der Präsident des Amtes, Dieter Sarreither. Mit 43,5 Millionen Erwerbstätigen verzeichnet Deutschland zudem einen Rekordwert seit der Wiedervereinigung.
Wird es auch 2017 so gut weitergehen?
Darauf wollen sich die Statistiker noch nicht festlegen. Die Ökonomen der großen Forschungsinstitute erwartet 2017 ein schwächeres Wachstum. Dazu trägt allein schon die im Vergleich zu 2016 höhere Zahl an Feiertagen bei. Die Fachleute gehen dennoch von einer soliden Entwicklung aus, die der Wirtschaft ein Plus zwischen 1,1 Prozent und 1,8 Prozent bescheren könnte.
Gibt es auch Risiken, die zu einem Konjunktureinbruch führen könnten?
Es gibt eine Reihe von derzeit schwer einschätzbaren Faktoren, die positive Erwartungen durchkreuzen könnten. Die meisten davon sind international angesiedelt. Dazu gehört der künftige wirtschaftspolitische Kurs des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Schottet er die USA vor Importen ab, kann das zum Beispiel für die Automobilindustrie problematisch werden. Auch die Folgen des Brexit und die immer noch gärende Bankenkrise in Europa bergen Ungewissheiten.
Welche Rolle spielt die enorme Zuwanderung für das Wachstum?
Die finanziellen Effekte kann das Statistische Bundesamt nicht exakt beziffern. Aber die Ausgaben für Flüchtlinge, zum Beispiel für Wohnkosten, oder ihre Einkäufe im Supermarkt fließen in die Berechnung des BIP ein. Neun Milliarden Euro hat das Finanzministerium für Hilfen ausgegeben. Der jetzt in der Bundeskasse verblieben Überschuss von gut sechs Milliarden Euro geht auch auf nicht benötigte Ausgaben für die Flüchtlinge zurück.
Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?
Die meisten anderen großen Industrieländer kommen an die deutschen Wachstumsraten nicht heran. Frankreich kommt auf ein Plus von 1,3 Prozent, Italien nur auf 0,7 Prozent, ebenso wie Japan. Die USA sind mit 1,6 Prozent näher dran. Nur die kleineren EU-Länder, etwa Polen oder Irland, überflügeln Deutschland. Allerdings ist dort das Ausgangsniveau viel geringer.
Droht mit dem vergleichsweise hohen Wachstum auch wieder Inflation?
Chef-Statistiker Sarreither sieht deutliche Anzeichen für einen kräftigeren Anstieg der Preise. Die Inflationsrate schnellte schon zum Ende des vergangenen Jahres wieder auf 1,5 Prozent. Unter anderem steigende Ölpreise treiben die Teuerungsrate nach oben. Die schlechte Nachricht: Die Zinsen bleiben trotzdem niedrig, weil der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Wirtschaft aller Euro-Staaten im Blick hat. Und in den Südländern läuft die Konjunktur noch nicht rund. Damit verliert das Geld der Sparer in Deutschland mit Tagesgeld, Festgeld oder Vermögen auf dem Sparbuch an Kaufkraft.