Der Motor Zeitarbeit kommt ins Stottern

Firmen kämpfen mit Personalmangel / Gesetzliche Einschränkungen könnten weiteres Wachstum gefährden

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Von Wolfgang Mulke

08. Nov. 2007 –

Jahrzehntelang hat Leiharbeit in Deutschland ein wenig rühmliches Schattendasein geführt. Das Image war lausig, der Beiname „Sklavenhändler“ war nur ein Ausdruck für den schlechten Ruf der Branche. Seit 2004 geht es jedoch aufwärts. Zeitarbeit wird für immer mehr Unternehmen und Beschäftigte attraktiv. Auch dabei spielen die nach dem früheren VW-Vorstand Peter Hartz benannten Gesetze eine wichtige Rolle. Hartz I regelte 2003 die Zeitarbeit neu. Dahinter stand der Wunsch nach einem flexibleren Arbeitsmarkt. In guten Zeiten sollten Firmen schneller und ohne Angst vor dem Kündigungsschutzrecht Beschäftigung anbieten. Die 1972 eingeführten gesetzlichen Regelungen für Zeitarbeit wurden deshalb gelockert. Das hatte Erfolg. Die Zahl der Beschäftigten bei den Personaldienstleistungsfirmen hat sich innerhalb weniger Jahre von 330.000 auf mittlerweile 630.000 fast verdoppelt. Das sind 1,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das Potenzial ist noch längst nicht ausgereizt. Denn in anderen europäischen Ländern ist der Anteil deutlich höher.

 

Es waren vergleichsweise einfache Änderungen, die für den Aufschwung der Branche sorgten. Aufgehoben wurde zum Beispiel die Regel, dass Leiharbeiter höchstens zwei Jahre an einen Betrieb ausgeliehen werden dürfen. Bei der Entlohnung verordnete die rotgrüne Koalition der Branche, dass Zeitarbeiter genau so bezahlt werden müssen wie das Stammpersonal, sofern in Tarifverträgen nichts anderes vereinbart wurde. Heute gibt es Tarifverträge, die von den großen Zeitarbeitsverbänden mit dem DGB und christlichen Gewerkschaften abgeschlossen wurden. Damit wurde das Gleichstellungsgebot praktisch unterminiert. Dies stößt bei der Linken und auch bei weiten Teilen der SPD und den Gewerkschaften auf Unmut. Die Kritiker setzen sich nun für neue Beschränkungen der gut 17.000 Verleihfirmen ein.

 

Eine der Hauptsorgen der Gegner von Leiharbeit ist, dass immer mehr reguläre Beschäftigung in Leiharbeit umgewandelt wird. Verlässliche Statistiken gibt es dazu nicht. Nach Angaben der SPD zeigen jedoch Erhebungen in der Metallindustrie, dass Leiharbeit im Trend liegt. In der Automobilindustrie setzen danach 86 Prozent aller Betriebe Zeitarbeiter ein. Sieben Prozent der Facharbeiter und 17 Prozent der Hilfskräfte stehen auf der Gehaltsliste von Personaldienstleistern. In Einzelfällen, wie bei Daimler im Werk Ludwigsfelde, kommt laut SPD sogar jeder dritte Beschäftigte von einer Verleihfirma. Auch die Elektroindustrie bedient sich in starkem Umfang bei Zeitarbeitsfirmen. Bisweilen ist der Anteil der Leiharbeiter in dieser Branche sogar höher als der der Kernbelegschaft.

 

Dem Trend will die kleinere Regierungspartei mit Hilfe der Gewerkschaften brechen. Die Branche soll wie auch die Postzusteller in das Arbeitsnehmer-Entsendegesetz aufgenommen werden. Damit würde ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt. Schwerer wiegt indes der Vorschlag, per Gesetz Kernbelegschaft und Leiharbeiter beim Lohn gleichzustellen. Dann müssten Zeitarbeiter nach einer Einarbeitungszeit immer so gut bezahlt werden wie die Festangestellten eines Betriebes. Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der Leiharbeitsfirmen ginge so verloren.

 

Die Branchenverbände sind über diesen Vorschlag verärgert. Vor allem bei höher qualifizierten Angestellten würde diese Einschränkung Arbeitsplätze vernichten, befürchtet der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ). Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) stößt ins selbe Horn. „Einerseits will man die Branche durch einen Mindestlohn schützen, gleichzeitig aber soll sie totreguliert werden“, beschwert sich BZA-Präsident Volker Engerts. Die Dienstleistung werde so viel zu teuer und nicht mehr nachgefragt.

 

Über mangelnde Nachfrage müssen sich die Verleihfirmen derzeit keine Sorgen machen. Alle IT-Berufe, Ingenieure und betriebswirtschaftliches Personal werden derzeit gesucht. Dabei steht die Branche inzwischen vor demselben Problem wie ihre Kunden. Bestimmte Fachleute sind auf dem Arbeitsmarkt nur noch selten zu finden. Unproblematisch ist nur noch die Vermittlung von Hilfsarbeitern.

 

Interessenten haben daher gute Karten bei der Suche nach einem geeigneten Personaldienstleister. Experten raten dazu, bei der Auswahl auf ein paar Dinge zu achten, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. So sollte die Firma einem der Branchenverbände angehören und an einen Tarifvertrag gebunden sein. Dazu sollte in den Geschäftsräumen die Lizenz als Verleihfirma aushängen. Auch sollte der Blick auf Referenzen und die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzbestimmungen gerichtet werden, bevor ein Arbeitsvertrag unterschrieben wird.

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