• Markus Löning |Foto: privat
    Markus Löning |Foto: privat

„Der öffentliche Druck auf die Firmen muss steigen“

Bei vielen deutschen Firmen im Ausland seien die Arbeitbedingungen in Ordnung, sagt Menschenrechtsbeauftragter Löning. Aber es gebe schwarze Schafe

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Von Hannes Koch

28. Apr. 2013 –

Hannes Koch: Herr Löning, deutsche Unternehmen rühmen sich gerne eines sozialen und fairen Umgangs mit ihren Beschäftigten. Halten sie diese Zusagen auch ein, wenn es um die ArbeitnehmerInnen geht, die bei ihren ausländischen Töchtern und Zulieferfirmen arbeiten?

Markus Löning: Das Bild ist gemischt. Bei den direkten Tochterfirmen sind die Arbeitsbedingungen in der Regel in Ordnung. Schwierig wird es bei den Zulieferern in Asien, Afrika oder Lateinamerika. Ein Teil der deutschen Unternehmen legt Wert darauf, dass ihre Zulieferer beispielsweise die Sicherheits- und Arbeitsschutzvorschriften einhalten. Manche Firma kümmert sich aber überhaupt nicht um die Sozialstandards in ihrer Produktionskette.

Koch: Können Sie Beispiele für Versäumnisse deutscher Firmen nennen?

Löning: Ein einschlägiger Fall im vergangenen September war der Brand einer Textilfabrik in Pakistan, die auch für die deutsche Textilkette KiK produzierte. Die pakistanische Firma verfügte über ein Zertifikat, das ausreichende Schutzmaßnahmen bescheinigte. Trotzdem gab es dort offenbar keine Notausgänge. Fast 300 Menschen starben. Die deutsche Botschaft versucht nun herauszufinden, ob der deutsche Auftraggeber von dem pakistanischen Subunternehmer getäuscht wurde, oder ob er selbst auch eine Mitverantwortung trägt.

Koch: Vor wenigen Tagen ist ein Fabrikgebäude in Bangladesh eingestürzt. Auch dort wurde für Deutschland produziert. Was unternehmen Sie in solchen Fällen?

Löning: Erst in der vergangenen Woche hat mich ein Textilgewerkschafter aus Bangladesh zusammen mit einem Vertreter der Gewerkschaft Ver.di besucht. Wir haben beraten, was künftig zu tun ist. Mit Hilfe der deutschen Entwicklungsorganisation GIZ könnten wir in Bangladesh versuchen, Unternehmer, Arbeitnehmervertreter und Behörden an einen Tisch zu bringen. Das Ziel muss sein, gemeinsam die Sicherheit der Beschäftigten zu verbessern. Beispielsweise sollte man Telefonnummern einrichten, bei denen die Beschäftigten Sicherheitsdefizite melden können, ohne dass sie befürchten müssen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.

Koch: Liegt es nicht im bewussten Kalkül auch mancher deutschen Firma, auf Kosten extrem niedriger Arbeitslöhne und Sicherheitsstandards bei den Zulieferern hohe Gewinne zu erwirtschaften?

Löning: Viele Unternehmen aus den Industriestaaten geben den Lieferanten in der Tat sehr niedrige Preise vor. Eine Ursache liegt in der harten Preiswettbewerb für Kleidung bei uns. Indem deutsche Verbraucher oft möglichst billige Kleidung kaufen, setzen aber auch sie die Unternehmen unter Druck.

Koch: Gibt es im internationalen Wirtschafts- und Sozialrecht überhaupt eine Art Mindestlohn, den die global tätigen Unternehmen gewährleisten müssen?

Löning: Nein, existenzsichernde Löhne lassen sich international nur schwer durchsetzen. Viele internationale Übereinkünfte haben nur den Charakter von Empfehlungen, wie etwa die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Verbindlich sind zwar die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation, beispielsweise zur Gewerkschaftsfreiheit. Aber auch diese Regeln respektieren Staaten wie China und die dort aktiven Firmen nicht.

Koch: Um vorwärts zu kommen, fordern Gewerkschaften und Bürgerrechtler, in Deutschland ein Klagerecht für ausländische Arbeiter deutscher Firmen einzuführen. Was halten Sie davon?

Löning: Das ist der falsche Weg. Wir müssen helfen, funktionierende Institutionen und Rechtssysteme in den Entwicklungs- und Schwellenländern aufzubauen. Ein extraterritoriales Klagerecht ist nur ein schlechter Ersatz. Denn dadurch würde der Reformdruck in den Ländern abnehmen, in denen die Missstände herrschen.

Koch: Wäre es nicht plausibel, wenn sich beispielsweise der deutsche Textildiscounter KiK für Verstöße gegen Menschenrechte im Ausland vor deutschen Gerichten verantworten müsste?

Löning: Es gibt ja hier schon Mechanismen, die wir erst einmal besser nutzen sollten. Denken Sie an die Kontaktstelle der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), die im Wirtschaftsministerium sitzt. Kritiker können dort Beschwerden gegen Unternehmen einreichen, wenn sie meinen, dass jene im Ausland gegen die Menschenrechte verstoßen. Diese Möglichkeit ist viel zu wenig bekannt. Der öffentliche Druck auf die Firmen muss steigen.

Koch: Bei der OECD-Kontaktstelle haben Bürgerrechtler kürzlich eine Beschwerde gegen die Münchner Firma Trovicor eingereicht. Die verkaufte angeblich Abhörtechnik nach Bahrein. Oppositionelle seien deshalb dort verhaftet worden. Haben Sie den Eindruck, dass das Wirtschaftsministerium ihres FDP-Kollegen Philipp Rösler solche Probleme ernst nimmt?

Löning: Die Bundesregierung nimmt diese Vorwürfe sehr ernst. Ich sehe aber auch Reformbedarf. Die OECD-Kontaktstelle müsste sich dafür einsetzen, dass ihre Tätigkeit öfter in Anspruch genommen wird. Man kann sich durchaus fragen, warum sie in den vergangenen Jahren nur 14 Beschwerden akzeptiert hat. Was die Beschwerde gegen die Firma Trovicor betrifft, halte ich die dahinterstehende Frage für sehr relevant. Produkte wie Software, die eindeutig für repressive Maßnahmen benutzt werden kann, sollten wir einer ähnlich scharfen Exportkontrolle unterwerfen wie Waffen.

 

Bio-Kasten

Markus Löning (52) arbeitet als Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechte im Außenministerium. Der FDP-Politiker leitete früher den Landesverband seiner Partei in Berlin und war entwicklungspolitischer Sprecher der liberalen Bundestagsfraktion.

 

Info-Kasten

Tag der Arbeit

Zum Tag der Arbeit am 1. Mai werden die Gewerkschaften gegen soziale Ungerechtigkeiten in Deutschland demonstrieren – beispielsweise gegen Niedriglöhne in Dienstleistungsjobs, bei denen die Beschäftigten fünf oder sechs Euro pro Stunde erhalten. Unter teils noch härteren Bedingungen arbeiten die Leute für manche deutschen Unternehmen im Ausland. Manchmal existieren noch nicht einmal unabhängige Gewerkschaften. Und die Löhne liegen im Cent-Bereich.

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