• Ulrich Kelber |Foto: privat
    Ulrich Kelber |Foto: privat

„Der Ökostrom wird unter Wert verscherbelt“

SPD-Energieexperte Ulrich Kelber will den „Vorrang der Ökoenergie stärken, nicht schwächen“

Teilen!

Von Hannes Koch

09. Okt. 2013 –

Hannes Koch: Die Umlage für Ökostrom, die die Verbraucher zahlen müssen, steigt erneut. Der Druck, dies zu ändern, nimmt zu. Ist die SPD in den vermutlich kommenden Koalitionsverhandlungen mit der Union zu einer Reform bereit?

 

Ulrich Kelber: Das Problem ist nicht auf die Einspeisevergütung beschränkt, die die Produktionskosten für regenerative Energie abdeckt. Die anderen Umlagen, die die Verbraucher zahlen, steigen ja auch – beispielsweise die Umlage für die Kosten des Stromnetzes und für die Haftung bei den Windkraftwerken auf See. Seit mehreren Jahren fordern wir deshalb das Bundesumweltministerium auf, eine wirksame Reform anzugehen.

 

Koch: Bisher bekommt Öko-Energie einen festen Fördersatz für 20 Jahre. Der soll die Differenz zwischen den noch höheren Produktionskosten und dem Börsenpreis für Strom ausgleichen. Weil dieser jedoch sinkt, steigen umgekehrt die Ökokosten. Muss man diesen fatalen Zusammenhang nicht auflösen?

 

Kelber: Bisher ist das System tatsächlich schlecht organisiert. Der Grundfehler besteht darin, dass Ökostrom immer noch ein nachrangiges Produkt ist. Die Stromhändler decken sich zunächst mit langfristigen Lieferverträgen für Strom aus fossilen Quellen ein. Erst im letzten Moment kaufen sie Ökostrom dazu, wenn er besonders günstig ist. Das macht dessen Preis kaputt. Und damit steigen die Ausgleichskosten, die die Verbraucher für den Ökostrom zahlen. Diesen Mechanismus müssen wir durchbrechen.

 

Koch: EU-Energiekommissar Günther Oettinger schlägt vor, keine feste Einspeisevergütung mehr zu definieren, sondern nur eine begrenzte Marktprämie als Aufschlag zum Börsenpreis. Das sei billiger. Eine gute Idee?

 

Kelber: Nein, das ist eine schlechte Idee. Denn sie löst nicht das Hauptproblem, dass der Ökostrom unter Wert verscherbelt wird. Außerdem würde durch eine geringere Marktprämie die Investitionssicherheit für Betreiber von Ökoenergieanlagen sinken. Die Banken verlangten dementspechend höhere Zinsen für Kredite zugunsten der erneuerbaren Energien. Das bedeutet: Ökostrom wird teurer, nicht günstiger.

 

Koch: Der Verband der Energiewirtschaft (BDEW) regt an, die Förderung für Ökostromanlagen in Auktionen zu versteigern. Die billigsten Anbieter würden dann jeweils den Zuschlag erhalten. Was spricht dagegen?

 

Kelber: Ich befürchte, ein derartiges System wäre unüberschaubar und sehr kompliziert. Denn es müsste in vielen kleinen Auktionen den jeweils auch regional angemessenen Preis ermitteln.

 

Koch: Jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde Ökostrom müssen die Energieversorger bisher aufkaufen. Dadurch ist in den vergangenen Jahren die Ökostrom-Menge stark gestiegen. Kartellamtschef Andreas Mundt will diesen Einspeisevorrang nun aufheben. Wäre das ein gangbarer Weg?

 

Kelber: Nein. Im Rahmen der Energiewende wollen wir doch die dreckigen, fossilen durch die sauberen, regenerativen Energien ersetzen. Wir müssen also zusehen, dass nicht zuerst billiger Strom aus alten, abgeschriebenen Kohlekraftwerken ins Netz fließt, sondern Ökoenergie.

 

Koch: Wie sieht Ihr Weg einer Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes aus?

 

Kelber: Jeder Stromhändler müsste zunächst Ökoenergie kaufen, und sie dann durch fossilen Strom ergänzen. Wir sollten den Vorrang des Ökostroms also stärken, nicht schwächen. Mit derartigen Regelungen würde sein Preis steigen und die Produktionskosten eher decken als im heutigen System. Unter dem Strich kämen die privaten Verbraucher und auch die Unternehmen billiger davon.

 

Koch: Damit würden Sie den Stromabsatz aus den alten, fossilen Kraftwerken massiv einschränken. Warum sollte die Union dem in Koalitionsverhandlungen zustimmen?

 

Kelber: Einbußen hätten vor allem die Betreiber von Kohlekraftwerken. Die Unternehmen, die Gaskraftwerke besitzen, könnten hingegen profitieren. Denn auch sie leiden heute unter zu den niedrigen Börsenpreisen für Strom. Die Reform würde in Teilen der Wirtschaft auf Sympathie treffen. Das weiß auch die Union. Sie kann es sich nicht leisten, dass die Energiewende den Bach runtergeht.

 

Bio-Kasten

Ulrich Kelber (Jg. 1968) hat bei der Bundestagswahl 2013 erneut den Wahlkreis Bonn für die SPD gewonnen. Im Bundestag widmet er sich unter anderem der Energiepolitik.

« Zurück | Nachrichten »