„Der Rentenbeitrag ist kein Dogma“

Die Sozialbeiträge für Beschäftigte könnten steigen, um die Finanzlöcher der Rente zu stopfen, sagt Ursula Engelen-Kefer vom Sozialverband. Die Rente mit 67 lehnt sie dagegen kategorisch ab

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Von Hannes Koch

11. Aug. 2010 –

Hannes Koch: Ökonom Michael Hüther fordert, dass die Beschäftigten nicht nur bis zum 67., sondern bis zum 70. Geburtstag arbeiten. Ist das realistisch?

 

Ursula Engelen-Kefer: Herr Hüther wollte wohl das politische Sommerloch füllen. Ihm und den Unternehmen rate ich: Die Betriebe sollten zunächst mehr Möglichkeiten für lebenslanges Lernen schaffen und die Arbeitnehmer auch jenseits der 60 Jahre weiterbeschäftigen. Dann können wir auch über die Rente mit 67 reden, vorher nicht. 2012 darf man sie keinesfalls einführen.

 

Koch: Muss nicht beides Hand in Hand gehen – die Einführung der Rente mit 67 und die allmähliche Verlängerung der Lebensarbeitszeit?

 

Engelen-Kefer: Nein, das funktioniert nicht. Heute arbeitet ja nur ein Fünftel der Menschen überhaupt noch länger als 63 Jahre. Führt man die Rente mit 67 schon 2012 ein, erleidet ein großer Teil der Arbeitnehmer Rentenkürzungen. Vielmehr muss die Zwangsverrentung für Langzeitarbeitslose mit 63 abgeschafft werden. Denn dies bedeutet Kürzungen bei der Rente von 7,2 Prozent.

 

Koch: Angesichts des demografischen Wandels – weniger Kinder, mehr Ältere – argumentiert die Regierung, es sei nicht genug Geld da, um die Renten in der heutigen Höhe weiterzuzahlen. Sie bezweifeln das. Warum?

 

Engelen-Kefer: Die Rente mit 67 bringt gerade einmal eine Verringerung der Beiträge um 0,5 Prozent – dass sind etwa vier Milliarden Euro pro Jahr. Die Regierung müsste bloß die Subventionierung der Riester- und Rürup-Renten eingrenzen, von denen vornehmlich die Besserverdienenden profitieren. Das brächte einen zusätzlichen Spielraum von 12,5 Milliarden Euro. Dann könnte man sich die Rente mit 67 und auch alle weiteren Rentenkürzungen sparen.

 

Koch: Trotzdem wird die Finanzierung der Renten später nicht einfacher. Sollten die Beiträge über die heute gültigen 19,5 Prozent des Lohns hinaus steigen?

 

Engelen-Kefer: 19,5 Prozent sind kein Dogma. Erforderlich ist zudem die Abschaffung der 400- und 1-Euro Jobs. Grundsätzlich müssen alle Arbeitsverhältnisse in die Sozialversicherungspflicht. Außerdem sind alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Dann sind Beitragserhöhungen überhaupt nicht erforderlich.

 

Info-Kasten

Rente mit 67

Auf Initiative von Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) beschloss die große Koalition aus Union und SPD die Rente 67. Ab 2012 steigt der Zeitpunkt der individuellen Verrentung in monatlichen Schritten bis 2029 von derzeit 65 auf 67 Jahre. Wer früher aufhört zu arbeiten, muss mit weniger Rente zurecht kommen.

 

Bio-Kasten

Ursula Engelen-Kefer (67) sitzt im Vorstand der bayerischen SPD und leitet den Arbeitskreis Sozialversicherung beim Sozialverband Deutschland. Früher war sie Vize-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Mitglied des Bundesvorstandes der SPD.

 

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