Der Staat als Haschisch-Händler

Berlin-Kreuzbergs grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann einen staatlich kontrollierten Marihuana-Laden eröffnen

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Von Hannes Koch

02. Aug. 2013 –

Der Junge mit der schwarzen Haut sagt, er heiße Maurice. Gerade amtiert er als inoffizieller Pförtner an diesem Eingang des Görlitzer Parks in Berlin-Kreuzberg. Der 20Jährige in ärmellosem weißem Unterhemd und kurzer Khakihose sitzt auf einem wackeligen Plastikstuhl, seine Füße hängt er in das Wasser eines künstlichen Baches.

 

Jeden, der den Park betritt, spricht Maurice an. Für viel mehr als „Alles okay?“ oder „Hallo, Bruder“ reicht sein Deutsch nicht. Mit manchen Besuchern entwickelt sich ein kurzes Gespräch. Dann kommen andere schwarze Jungs, und bald werden kleine Päckchen und Geldscheine hin- und hergereicht – oft Haschisch und Marihuana. Der Görlitzer Park ist ein bekannter Freiluft-Drogen-Supermarkt. Auf den ersten Blick sichtbar wird das Phänomen durch die schwarzen Händler – Flüchtlinge aus Staaten wie Tschad oder Niger.

 

Auf der anderen Seite der Straße liegt die Bar Raval, die unter anderem Schauspieler Daniel Brühl gehört. Hier kann man spanische Tapas speisen, nebenan wohnt die neue Kreuzberger Mittelschicht, junge Familien mit teuren Kinderwägen. Gehen sie rüber in den Park, werden auch sie wegen Haschisch angequatscht. Es kommt zu Beschimpfungen, mitunter Handgreiflichkeiten, die Polizei veranstaltet erfolglose Razzien – alles in allem eine angespannte Situation, aus der viel Schlechtes, auch neue Fremdenfeindlichkeit entstehen kann.

 

Das weiß auch Monika Herrmann, die seit ein paar Tagen neue Bürgermeisterin von Kreuzberg. Die Grüne sagt: „Die Belagerung an den Parkeingängen ist schon suboptimal.“ Um weitere Eskalation zu verhindern, hat sie nun eine höchst umstrittene Idee formuliert: Sie setzt sich dafür ein, dass ein staatlich kontrollierter Laden offiziell Haschisch und Marihuana verkaufen soll. Es wäre der erste „Coffeeshop“ in Deutschland nach niederländischem Vorbild.

 

Was aber soll ein solcher, laut Herrmann „akzeptierter und überschaubarer Platz für Drogenhandel“ bringen? Wenn die öffentliche Hand die Rauschmittel billiger anbietet als die Straßenhändler, verlören diese ihre Arbeit. Der Stress im Görlitzer Park nähme ab, die Drogenkriminalität ebenfalls. Gegenargumente: Insgesamt stiege der Hanfkonsum in Kreuzberg an, vielleicht sogar weit darüber hinaus. Schließlich müsste der Staat immer größere Mengen legalen Nachschubs besorgen. Und die Flüchtlinge? Weil sie meist keiner offiziellen Arbeit nachgehen dürfen, würden sie sich andere illegale Jobs suchen.

 

Trotzdem will Herrmann das Vorhaben vorantreiben. Grundsätzlich ist der Handel mit Haschisch und ähnlichem in Deutschland zwar verboten. Doch die Bürgermeisterin sieht „ein kleines rechtliches Schlupfloch“ in einem Paragrafen des Betäubungsmittelgesetzes. Dort heißt es, das Bundesinstitut für Arzeneimittel könne eine Ausnahmegenehmigung im öffentlichen Interesse erteilen. Ob es dazu jemals kommt, steht in den Sternen. Aus der Berliner Regierungskoalition erhält Herrmann derweil scharfe Ablehnung. Sowohl Innensenator Frank Henkel als auch Gesundheitssenator Mario Czaya (beide CDU) weisen die Initiative zurück.

 

Im Falle einer Realisierung gäbe es wohl noch mannigfaltige Probleme. Zum Beispiel: Woher soll der Bezirk Kreuzberg den Stoff bekommen? „Wir haben ja eine Bezirksgärtnerei“, sagte Monika Herrmann unlängst in einem Interview. Aber das war ein Scherz.

 

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Kreuzberger Mächte

Ihre Eltern saßen beide für die CDU im Berliner Landesparlament. Auch Monika Herrmann (Jg. 1964) ging zuerst zur Jungen Union, die ihr aber „zu rechts“ war. Sie trat bei den Grünen ein und wurde schließlich Stadträtin für Jugend, Familie und Schule des Bezirks Kreuzberg. Besonders wichtig erscheint ihr die Integration von Zuwanderern und die kulturelle Vielfalt der „Kreuzberger Mischung“. Deren Teil ist Herrmann selbst. Mit ihrer Lebensgefährtin lebt die Bürgermeisterin in einer lesbischen Beziehung. Nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei den anderen Parteien genießt sie Anerkennung, weil sie zwar links, dabei aber unideologisch und modern ist. Die Grünen sind mit Abstand die stärkste Fraktion im Bezirksparlament.

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