Der Staat nimmt mehr vom Gleichen

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur kalten Progression

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Von Wolfgang Mulke

28. Apr. 2014 –

Wie funktioniert die kalte Progression?

 

Das deutsche Steuersystem fußt auf zwei wichtigen Regeln. Erstens bezahlen diejenigen, die mehr verdienen, mehr Steuern als Geringverdiener. Zweitens steigt mit dem Verdienst auch der Anteil des Einkommens, der an das Finanzamt abgegeben werden muss. Wenn die Löhne erhöht werden, rutscht der Beschäftigte in der Einkommensskala ein Stück weiter nach oben. Folglich bezahlt er mehr Steuern und wird auch prozentual stärker belastet.

 

Warum handelt es sich um eine heimliche Steuererhöhung?

 

Ein Teil der jährlichen Lohnerhöhungen dient dem Ausgleich der Inflation. Angenommen, die Preise und die Löhne steigen in einem Jahr jeweils um zwei Prozent. Dann hat sich an der Kaufkraft des Steuerzahlers nichts geändert, weil der Einkommenszuwachs von der Teuerung wieder aufgefressen wird. Trotzdem muss er mehr Steuern bezahlen. Dadurch kann er weniger konsumieren.

 

Was bedeutet dies in Euro und Cent?

 

Ein Alleinstehender bezahlt bei einem zu versteuernden Einkommen von 30.000 Euro im Jahr laut Rechner des Bundesfinanzministeriums 5.558 Euro Einkommensteuer. Ein Lohnplus von zwei Prozent als Inflationsausgleich bringt nun 600 Euro mehr Einkommen im Jahr. Damit kann sich der Arbeitnehmer wegen der allgemeinen Teuerung nicht mehr leisten als im Jahr zuvor. Bei einem Einkommen von nun 30.600 Euro zieht das Finanzamt trotzdem 190 Euro mehr ein. Obwohl sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers also nichts geändert hat, wird er vom Staat stärker zur Kasse gebeten.

 

Wer zahlt dabei am meisten drauf?

 

Da die Steuerlast prozentual bei den kleinen und mittleren Einkommen am stärksten anwächst, macht sich bei diesen Haushalten auch die kalte Progression am stärksten bemerkbar. Wer schon beim Spitzensteuersatz angelangt ist, also viel oder sehr viel verdient, merkt von diesem Effekt nichts mehr.

 

Könnte die kalte Progression beseitigt werden?

 

Die kalte Progression kann leicht vermieden werden, wenn der Tarifverlauf bei der Einkommensteuer regelmäßig an die Teuerungsrate angeglichen werden würde. Dann bliebe die tatsächliche Belastung des Steuerzahlers gleich.

 

Warum streiten die Parteien schon so lange darüber?

 

In den Finanzplänen von Bund und Ländern sind die Mehreinnahmen durch die von den Tarifparteien vereinbarten Lohnerhöhungen fest eingeplant. Auf dieses Geld verzichten die Regierungen ungern. Immer wieder wird der Steuertarif auch der Entwicklung angepasst, aber nicht regelmäßig, so dass die Bürger unter dem Strich fast automatisch immer mehr abführen. Nun wollen SPD und Union ein Ende der kalten Progression wieder einmal prüfen, weil die Staatseinnahmen von Rekord zu Rekord eilen. Bisher sind alle Zusagen, per Gesetz Schluss zu machen mit der kalten Progression, schnell wieder versandet.

 

 

 

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