Der umkämpfte Mindestlohn

Dass zehn Prozent der kontrollierten Unternehmen gegen die Lohnuntergrenze verstößt, zeigt, wie wichtig diese ist

Teilen!

Von Hannes Koch

25. Jun. 2010 –

In der politischen Arena hat sich der Streit über die Mindestlöhne beruhigt. Auf der Ebene der Unternehmen allerdings finden heftige Auseinandersetzungen statt. Das belegt die Antwort von Arbeitsstaatssekretär Ralf Brauksiepe (CDU) auf eine Anfrage der Grünen. Demnach halten rund zehn Prozent der kontrollierten Unternehmen die gesetzlichen Branchen-Mindestlöhne nicht ein.


Im Laufe des Jahres 2009 hat der Zoll rund 14.000 Baufirmen und 2.000 Gebäudereinigerbetriebe kontrolliert. Verstöße gegen den Mindestlohn fielen dabei in 1.400 Bau- und 200 Reinigungsunternehmen auf. Weil die Beschäftigten dort weniger Lohn erhielten, als ihnen laut Mindestlohn zustand, müssen diese Unternehmen nun Bußgeld bezahlen.


Die Lohnuntergrenze auf dem Bau beträgt 9,25 Euro im Osten und 10,80 Euro im Westen. Um dieses Minimum auch durchzusetzen, plädiert Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) nun für schärfere Kontrollen. Von 2010 bis 2013 wird der Zoll rund 350 neue Stellen schaffen. Diese Zahl reiche allerdings bei weitem nicht aus, erklärte die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft – notwendig seien bis zu 2.000 zusätzliche Kontrolleure.


Die hohe Zahl der Verstöße zeigt, wie wichtig die Mindestlöhne sind. Denn trotz Kontrollen und Sanktionen versuchen die Firmen, die Gehälter zu drücken. Die Lohnspirale nach unten wirkt weiter.


In den vergangenen Jahrzehnten hat die Bindungswirkung der Tarifverträge erheblich abgenommen. Viele Unternehmen sind aus den Verbänden ausgetreten, oder in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung gar nicht erst eingetreten. Hinzu kommt, dass zahlreiche Arbeitskräfte aus den osteuropäischen EU-Mitgliedsstaaten nach Westen wandern. Und angesichts der Erwerbslosigkeit in Deutschland sind auch viele einheimische Beschäftigte gezwungen, für Niedriglöhne zu arbeiten. Zahlen des Statistischen Bundesamtes zufolge beträgt dieser Anteil mittlerweile bis zu 20 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland. Dabei sind selbst Stundenlöhne von drei oder vier Euro brutto sind keine Seltenheit.


Deshalb haben Gewerkschaften und Unternehmen ihre Meinung geändert. Während beide Seiten staatliche Eingriffe in die Lohnfindung früher ablehnten, wünschen sich nun viele Gewerkschafter und Firmenchefs, dass die Regierung ihnen helfen möge. Denn nicht nur Lohnabhängige, sondern auch Betriebe geraten oft in eine bedrohliche Lage. Mit Dumpinglöhnen machen ihnen Billiganbieter den Markt streitig.


So ist es nicht erstaunlich, dass sich Arbeitgeber und Gewerkschaften mittlerweile auf Mindestlöhne für rund zwei Millionen Beschäftigte geeinigt haben. Bald kommt die Pflegebranche mit rund 800.000 Beschäftigten hinzu. Und auch für die Zeitarbeit laufen intensive Verhandlungen. Dass der Druck auf die Tarifpartner, aber auch die schwarz-gelbe Regierung steigt, hat einen einfachen Grund: Ab dem 1. Mai 2011 herrscht Freizügigkeit für die meisten Arbeitnehmer der Europäischen Union. Dann dürfen Beschäftigte aus Polen, der Slowakei, den baltischen Staaten und anderen Ländern problemlos in Deutschland arbeiten. Damit wird die Konkurrenz gerade in einfachen, ohnehin schlecht bezahlten Tätigkeiten zunehmen.

« Zurück | Nachrichten »