Der umstrittene Öko-Effekt von Carsharing

Angebote wie Car2go und Drive-Now würden mehr Autoverkehr erzeugen, sagt eine Studie

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Von Hannes Koch

03. Sep. 2014 –

Den ökologischen Nutzen von Carsharing-Angeboten wie Car2go stellt eine neue Studie in Frage. Demnach rufen die Smarts oder Minis, die man in Großstädten für Spontan-Fahrten nutzen kann, mehr Autoverkehr hervor und tragen nicht dazu bei, diesen zu verringern. Die Carsharing-Anbieter Car2go und Drive-Now, aber auch das Öko-Institut weisen diese These zurück.

 

Die Studie „Urbane Mobilität im Umbruch“ hat die Beratungsfirma Civity erarbeitet, die sich schwerpunktmäßig mit öffentlichen Dienstleistungen beschäftigt. Sie untersucht, welche Auswirkungen die Angebote von Carsharing-Unternehmen wie Car2go (Daimler) und Drive-Now (BMW) haben. Diese stellen Fahrzeuge zur Verfügung, die man in Städten nicht an festen Stationen abholen muss, sondern per Smartphone irgendwo in der Stadt findet. Nach der Fahrt kann man sie an einem beliebigen Ort innerhalb eines bestimmten Gebietes abstellen. Deswegen werden sie „Free-Floating-Carsharing“ genannt. Solche Fahrzeuge gibt es unter anderem in München, Stuttgart, Hamburg und Berlin.

 

Civity hat nach eigenen Angaben ein Jahr lang Millionen Datensätzen der Carsharing-Firmen erfasst. Einzelne Nutzer wurden auch befragt, allerdings nicht repräsentativ. Ein Ergebnis: „In Berlin sind 50 Prozent der Fahrten kürzer als fünf Kilometer. Free-Floating-Carsharing ist in einem erheblichen Umfang motorisierte Bequemlichkeitsmobilität im Nahbereich, die vorher mit stadt- und umweltverträglicheren Verkehrsmitteln, wie dem öffentlichen Verkehr und dem Fahrrad, durchgeführt wurde.“

 

Zweifel an dieser Aussage hat Friederike Hülsmann vom Öko-Institut: „Die These, dass Car2go und ähnliche Carsharing-Modelle zusätzlichen Autoverkehr generieren, lässt sich mit den Daten der Civity-Studie nicht belegen. Um solche Aussagen zu treffen, müsste man die Verhaltensänderung von Carsharing-Nutzern repräsentativ erfassen und analysieren.“ Unter anderem darum geht es dem Öko-Institut bei einer Untersuchung von Car2go im Auftrag des Bundesumweltministeriums.

 

Die Frage ist: Wie verhalten sich individuelle Carsharing-Nutzer und Nutzerinnen über einen längeren Zeitraum tatsächlich? Haben sie ihren Privat-Pkw abgeschafft? Legen sie jetzt die eine Fahrt mit der U-Bahn und die andere mit dem Leih-Mini zurück? Oder steigen sie von Rad und Bahn komplett auf Drive-Now um? Wahrscheinlich gibt es verschiedene Varianten und Mischungen.

 

Außerdem, so lautet eine weitere These der Civity-Studie, würden die hippen Kleinwagen fast genauso oft ungenutzt am Straßenrand herumstehen wie private Pkw. Jene seien also keine effizienteren Verkehrsmittel. Car2go bestreitet diese Zahlen und sagt, die Fahrzeuge wären im Durchschnitt mindestens 150 Minuten am Tag im Einsatz, viel länger als private Autos, die nur 60 Minuten täglich genutzt werden.

 

Die Forscher des Beratungsunternehmens leiten aus ihrer Untersuchung die politische Botschaft ab, dass die Städte den öffentlichen Personennahverkehr und die Infrastruktur für Radfahrer verbessern müssten. Free-Floating-Carsharing könne die Verkehrssituation in den Städten nicht nennenswert entspannen.

 

Der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub (VCD) Deutschland sieht das teilweise anders. „Carsharing und Öffentlicher Personennahverkehr gehören zusammen“, sagt Projektmanager Gregor Kolbe. „Free-Floating sowie weitere Carsharing-Modelle unterstützen diejenigen, die sich entschieden haben, auf das Privatauto zu verzichten.“ Der Bundesverband Carsharing, der unter anderem die Anbieter mit festen Stationen vertritt, erklärt: „Ein Carsharing-Fahrzeug ersetzt durchschnittlich vier bis acht private Pkw.“ Dieser Entlastungseffekt sei beim Free-Floating aber noch nicht erwiesen.

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