Der vorläufige Tod einer Öko-Idee
Kompostierbare Einkaufstüten haben keine ökologischen Vorteile, sagt das UBA. Neue Müllgebühr
23. Nov. 2012 –
Klingt faszinierend: Aus Pflanzen stellt man eine Art Kunststoff her und verarbeitet diesen zu „Bioplastiktüten“. Nach dem Einkauf kann man die Taschen auf den Kompost werfen, wo sie wieder Erde werden. Doch leider funktioniert das nicht so einfach. Deshalb hat das Bundesumweltministerium jetzt beschlossen, die kompostierbaren Tüten gegenüber normalen Plastikbeuteln nicht mehr zu bevorzugen.
Die Folge: Die Abfallfirmen des Dualen Systems erheben ab Anfang 2013 eine Gebühr dafür, dass sie die Bioplastiktüten sammeln und verwerten. Die bisherige Ausnahmeregelung in der Verpackungsverordnung, die die kompostierbaren Tüten von der Gebühr befreite, läuft aus. Für die Verbraucher dürften die Biobeutel in den Geschäften deshalb teurer werden.
Das ärgert die Produzenten. „Hier wird ein ökologisches Produkt verteuert, das einfach verrottet“, sagt Hannes Pressmar von der Firma BioBag im baden-württembergischen Denzlingen, der deutschen Vertretung der norwegischen BBIAS. Das Unternehmen fertigt kompostierbare Folien auf der Basis von Maisstärke. Die Einkaufstüten aus nachwachsendem Rohstoff seien eine höchst sinnvolle Entwicklung, sagt Pressmar, da sie der Belastung der Meere mit gefährlichen Plastikpartikeln entgegenwirkten. Viele herkömmliche Kunststoffe werden aus Erdöl gewonnen.
Aber sind die Biotüten tatsächlich umfreundlich? Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt: „Biologisch abbaubare Kunststoffe für Verpackungen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, haben insgesamt keinen ökologischen Vorteil.“ Die Experten begründen ihr hartes Urteil so: Beim Anbau der Maispflanzen würden beispielsweise Düngemittel eingesetzt, die den Boden und das Wasser belasten. Solche Nachteile würden durch die Vorteile, etwa den niedrigeren Kohlendioxid-Ausstoß, nicht aufgewogen. Unter dem Strich lasse sich die bisherige Gebührenbefreiung im Dualen System deshalb nicht mehr rechtfertigen, so das UBA.
Hinzu kommt nach Einschätzung des Bundesumweltministeriums, dass die Biotüten heute größtenteils nicht kompostiert werden können. Grundsätzlich würden sie unter bestimmten Bedingungen zwar verrotten, dieser Prozess dauere für die meisten Kompostanlagen aber zu lange. Die Folge ist, dass die Abfallfirmen die Bioplastiktüten aus dem Biomüll heraussuchen müssen, was Kosten verursacht. Nach Information der Verwertungsfirma Grüner Punkt in Köln gehören die Komposttaschen heute eigentlich in die grauen Tonnen des Restmülls. Ab Januar soll man sie in die gelben Tonnen für Verpackungsabfälle werfen – und keinesfalls in die Biotonnen.
Das Umweltbundesamt schließt nicht aus, dass in Zukunft Biokunststoffe auf den Markt kommen, die umweltfreundlicher und tatsächlich leicht kompostierbar sind. Heute lautet der Rat der Experten an die Verbraucher aber: Wer eine wirklich ökologische Tragetaschen-Variante wählen wolle, solle „langlebige“ Behältnisse benutzen. Also: hübsche Jutebeutel, farbenfrohe Leinentaschen oder auch die stabilen Exemplare, die sich an die Gepäckträger von Fahrrädern hängen lassen.
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Der Tüten-Konflikt
Unter anderem die Handelskette Aldi gab im Frühjahr 2012 im Streit um Werbung für angeblich kompostierbare Einkaufstüten nach. Man habe nach Kritik der Deutschen Umwelthilfe eine Unterlassungserklärung abgegeben, bestätigte eine Sprecherin von Aldi gegenüber der Agentur dapd. Die umstrittenen Bioplastikbeutel, die die Händler damals verwendeten, durften nicht mehr als „100 Prozent kompostierbar“ bezeichnet werden.