Der Weg aus der Erdöl-Falle

Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Erdöl ist ersetzbar. Musikinstrumente beispielsweise kann man aus pflanzlichem Kunststoff fertigen. Fossiler Rohstoff ist nicht notwendig

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Von Hannes Koch

03. Aug. 2010 –

Der Ton der Blockflöte klingt warm und klar. Die Oberfläche des Instruments schimmert wie poliertes Holz. Das aber ist ein Trugschluss. Das Material heißt „Arboform“ - ein Kunststoff, der aus Pflanzen gewonnen wird.


Jürgen Pfitzer, Chef der Firma Tecnaro aus der Nähe von Heilbronn, schwärmt für das „flüssige Holz“. Der Kunststoff auf Pflanzenbasis sei leicht zu verarbeiten, trotzdem sehr hart und deshalb extrem präzise zu formen. „In Sekunden kann man eine hochwertige Flöte pressen.“


Arboform ist ein gutes Beispiel dafür, dass es einen Weg aus der Erdöl-Falle geben kann – wenn man ihn nur sucht. Moderne Blockflöten beispielsweise werden häufig aus Kunststoff auf Erdölbasis gefertigt ist. Doch dieses Ausgangsmaterial ist grundsätzlich in vielen Bereichen ersetzbar. Darauf wies die deutsche Agentur für Erneuerbare Energien am Dienstag aus Anlass der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko hin und warb für den verstärkten Ausbau der Bioenergien. Die AEE, die unter anderem vom Bundesumweltministerium und Öko-Firmen getragen wird, macht Lobbyarbeit für Energie aus Wind, Sonne, Wasser, Biomasse und Erdwärme.


Ein Schwerpunkt der AEE liegt im Verkehrsbereich. „Das Ziel muss sein, Erdöl zunehmend durch Biokraftstoffe zu ersetzen“, sagte Mitarbeiterin Undine Ziller. Nach Angaben der Agentur stammten 2009 erst 5,5 Prozent des Kraftstoffverbrauchs im deutschen Verkehr aus nachwachsenden Quellen, darunter Bioethanol aus Zuckerrüben und Biodiesel aus Raps. 2,5 Millionen Tonnen Biodiesel wurden in den Motoren verbrannt, während insgesamt 49 Millionen Tonnen fossilen Diesels und Benzins in die Fahrzeugtanks flossen. Künftig erreichbar sei aber ein viel höherer Anteil des Biotreibstoffs, sagte AEE-Mitarbeiter Jörg Mühlenhoff. Die Agentur hält rund 20 Prozent bis 2020 für realistisch.


Ähnlich ehrgeizige Ziele formuliert die Agentur für die Bioenergien insgesamt. Bis zu einem Drittel des Weltenergiebedarfs könnten künftig aus nachwachsenden Quellen kommen, heißt es. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU) ist da allerdings weniger optimistisch: Die Berater nennen einen mittelfristigen Anteil der Bioenergien von zehn Prozent.


In jedem Fall aber hat die Politik einen Einfluss auf die Entwicklung – auch das will die Agentur unterstreichen. So plädierte man dafür, die Beimischungsquote für Biotreibstoff zum normalen Sprit zu erhöhen. „Die Unabhängigkeit vom Erdöl würde zunehmen“, sagte Mühlenhoff. Allerdings ist der Bio-Lobby auch klar: „Wir können die fossilen Energieträger nicht komplett ersetzen.“


Das hat unter anderem mit Problemen zu tun, die aus der Verwendung der Biokraftstoffe selbst erwachsen. Es gibt immer wieder Streit über die vermeintlichen Vor- und Nachteile. Die AEE stellt die Sache so dar: „Die Emissionen bleiben stets unter denen von Diesel und Benzin.“ Umweltorganisationen sehen das jedoch anders. Mitunter erzeugten intensiver Anbau, Transport und Verarbeitung der Energiepflanzen ähnliche Klimaschäden wie die Ausbeutung und Verwendung des Erdöl.


Ein Vorteil der Bioenergien und pflanzlichen Kunststoffe aber ist unbestritten: Man muss das Basismaterial nicht aus der Tiefsee an die Oberfläche pumpen und dabei die Verseuchung ganzer Meere riskieren.


Info-Kasten I

Erdöl

Mit 42 Prozent am Endenergieverbrauch ist Erdöl der wichtigste Energieträger der Welt (Angaben der Internationalen Energieagentur IEA). Der Höhepunkt der Förderung ist bereits überschritten oder wird bis 2020 erreicht sein. Dann geht die geförderte Menge zurück.


Info-Kasten II

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat deutlich größere Ausmaße als bisher angenommen. US-Wissenschaftler veröffentlichten in der Nacht zum Dienstag neue Daten zur Ölmenge, die bis zum vorübergehenden Verschluss des Bohrlochs Mitte Juli in das Meer gelangt ist. Demnach soll es sich um fast fünf Millionen Barrel handeln statt der vier Millionen, die BP bislang für seine Kostenkalkulationen herangezogen hatte (Reuters).


Grafik

http://www.unendlich-viel-energie.de/uploads/media/38_Renews_Spezial_Biokraftstoffe_aug10_online.pdf

z.B. Seite 6

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