Deutsche Löcher im Schweizer Bankgeheimnis

Die Schweiz verpflichtet sich, deutschen Finanzämtern künftig mehr Informationen über Steuerhinterzieher mitzuteilen. Außerdem soll eine höhere Abgeltungssteuer nach Deutschland fließen

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Von Hannes Koch

26. Mär. 2010 –

Diesen Vertrag werden nicht wenige Schweizer hassen. Er gilt ihnen als überflüssige Geste der Unterwerfung unter den Willen des großen, arroganten Nachbarn Deutschland. Auch mit Rücksicht auf diese Stimmung gab sich der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz am Freitag zurückhaltend, was die Einzelheiten des neuen Steuerabkommens mit Deutschland betraf.


Merz und sein deutscher Kollege Wolfgang Schäuble parafierten in Berlin den Entwurf des Abkommens. Obwohl wichtige Details noch nicht bekannt sind oder erst ausgehandelt werden müssen, ist klar: Das traditionelle Schweizer Bankgeheimnis gehört der Vergangenheit an. Künftig sind Behörden und Finanzinstitute der Alpenrepublik verpflichtet, deutschen Finanzämtern mehr Informationen über potenzielle Steuerhinterzieher und ihre in der Schweiz angelegten Vermögen mitzuteilen als bisher.


Das Abkommen mit Deutschland ist ein weiterer Schritt der Abschaffung des strikten Schweizer Bankgeheimnisses. Im vergangenen Jahr bereits hatte die Regierung in Bern ihre langjährigen Vorbehalte gegen die Steuerstandards der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) aufgegeben. Die Schweiz muss derartige Kompromisse eingehen, um nicht auf der OECD-Liste der Steueroasen zu landen. Staaten auf dieser Liste riskieren Strafen im internationalen Handel.


Über viele Details des neuen Abkommens herrschen noch Differenzen zwischen Berlin und Bern. Im Bundesfinanzministerium sieht man einen zentralen Punkt so: Der Informationsaustausch zwischen beiden Ländern müsse künftig so einfach sein, „wie zwischen deutschen Finanzämtern“. Das hieße beispielsweise: Fragt das Kölner Finanzamt, welcher deutsche Name sich hinter einer Schweizer Kontonummer verberge, so müssten die Schweizer Kollegen helfen.


Die Mitarbeiter von Bundesrat Merz vertreten dagegen eine andere Position. „Damit ein effektiver Informationsaustausch möglich wird, bedarf es auch künftig der zweifelsfreien Identifikation der betroffenen Steuerpflichtigen.“ Das könnte bedeuten: Deutsche Finanzämter bekommen nach wie vor keine ausreichenden Antworten auf ihre Fragen, und die Schweiz gewährt Steuerhinterziehern weiterhin Schutz.


Merz betonte, dass es auch künftig keinesfalls einen „automatischen oder spontanen Austausch“ von Steuerinformationen zwischen den beiden Staaten geben werde. Und an einem weiteren Punkt bleibt die Regierung in Bern hart. Kauft Deutschland Bankdaten, die Schweizer Banken gestohlen wurden, leisten die Behörden des Alpenlandes keine Amtshilfe bei der dadurch ausgelösten Verfolgung der Steuerhinterzieher. Das gilt auch für die gegenwärtig in Deutschland laufenden Ermittlungen gegen tausende Steuerflüchtige.


Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll in den kommenden Monaten weitere strittige Fragen klären. Schäuble legt Wert darauf, dass beide Länder ein Verfahren finden, um die in der Schweiz lagernden Vermögen deutscher Bürger nachzuversteuern. Schätzungen über die versteckten Vermögen belaufen sich auf 100 bis 200 Milliarden Euro. Außerdem geht es um eine Abgeltungssteuer, die die Schweiz künftig auf die Zinseinnahmen deutscher Vermögen erheben und teilweise nach Deutschland überweisen soll.


Bis zur Unterzeichnung des Doppelbesteuerungsabkommens, das die ausgeweitete Informationspflicht umfasst, dürften noch einige Monate vergehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei eine Volksabstimmung gegen den Vertrag durchsetzt. Das dürfte ein Grund sein, warum Bundesrat Hans-Rudolf Merz den Ball am Freitag flach halten und nicht allzu viele Informationen über das künftig löchrige Schweizer Bankgeheimnis preisgeben mochte.

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