Deutsche Unternehmen sollen Sorge tragen

700 Tote nach Fabrikeinsturz in Bangladesch - stärkere Sorgfaltspflicht für deutsche Firmen könnte helfen, solche Unfälle zu verhindern

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Von Hannes Koch

08. Mai. 2013 –

Die Zahl der Toten ist mittlerweile auf mehr als 700 gestiegen. Gegen den Fabrikbesitzer läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes. Das ist die bisherige Bilanz des Einsturzes einer Textilfabrik in Bangladesch, in der wohl auch Kleidung für Deutschland genäht wurde.


Diese Katastrophe scheint weit weg. Doch zur Diskussion steht in solchen Fällen auch die Verantwortung der Auftraggeber, beispielsweise des deutschen Textil-Discounters KiK. Wie das Unternehmen gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk inzwischen einräumt hat, sind in dem eingestürzten Gebäude bis Jahresanfang Produkte für KiK gefertigt worden. Der NDR-Redaktion Panorama liegt das Foto einer Bluse der „Verona Pooth Kollektion 2013“ vor, die aus den Trümmern der eingestürzten Fabrik stammen soll. Das offenbar illegal um mehrere Stockwerke erhöhte Gebäude brach kürzlich zusammen.


Immer wieder kommt es zu Unfällen oder schweren sozialen Missständen in der Zulieferkette deutscher Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. So starben im vergangenen Jahr mehrere hundert Arbeiterinnen und Arbeiter beim Brand einer Textilfabrik in Pakistan, die ebenfalls für KiK nähte.


Die kurzfristige Empörung ist jedes Mal groß. Aber wie lässt sich so etwas grundsätzlich verhindern? Christian Lahnstein vom Rückversicherer Munic Re beobachtet seit vielen Jahren die weltweiten Entwicklungen des Haftungs- und Versicherungsrechtes. Er regt an: „Firmen wie KiK sollten von ihren Zulieferfirmen einen Nachweis verlangen, dass diese eine lokale Betriebshaftpflichtversicherung in ausreichender Höhe abgeschlossen haben.“

Heute ist dies kaum der Fall. Zwei Varianten bieten sich an: Entweder verlangen Unternehmen wie KiK freiwillig, dass ihre Zulieferer Versicherungsverträge unterschreiben. Oder der Bundestag beschließt eine Gesetzesänderung, die dies erzwingt. Für die Arbeiterinnen der eingestürzten Fabrik in Bangladesch könnte eine solche Regelung wesentliche Verbesserungen bewirken. Auf dieser Basis wären sie eher in der Lage, Schmerzensgeld und Entschädigungen zu erstreiten.

Aber ist das nicht nur ein merkwürdiger Vorschlag eines Versicherungsunternehmens, das mit derartigen Risiken Geld verdient? Lahnstein sieht das nicht so. Er argumentiert: Wenn obligatorische Betriebshaftpflichtversicherungen existierten, würden die lokalen Versicherungsunternehmen eher darauf achten, dass die Fabriken die Sicherheits- und Arbeitsschutzregeln einhalten. Schließlich wollen sie die finanziellen Belastungen aus Schadensfällen so gering wie möglich halten. Die Hoffnung: Dass Fabrikbesitzer marode Gebäude illegal aufstocken oder Notausgänge unpassierbar machen, käme dann seltener vor.

Juristin Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation ECCHR in Berlin (European Center für Constitutional and Human Rights) sieht einen Handlungsbedarf dagegen stärker bei der deutschen Politik. Sie fordert, dass Bundestag und Bundesregierung Unternehmen wie KiK verstärkte Sorgfaltspflichten auferlegen sollten.


„Die Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmanns ist bereits ein Bestandteil des deutschen Rechts“, sagt Saage-Maaß. Entsprechende Bestimmungen stehen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie schlägt nun vor, diese Pflichten für Firmen zu erweitern. Als Bezugspunkt bieten sich unter anderem die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) an, sagt die Juristin.


Die ILO-Konventionen sichern den Arbeitnehmern überall auf der Welt beispielsweise zu, dass sie Löhne erhalten, die die Existenz einer Familie sichern. Bestimmte Anforderungen an den Arbeitsschutz lassen sich daraus ebenfalls ableiten. Und sehr wichtig: Die Beschäftigten dürfen sich in unabhängigen Gewerkschaften organisieren, um mit deren Hilfe bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu erstreiten. In vielen Ländern dieser Welt stehen diese Grundsätze bislang aber nur auf dem Papier.


Das würde sich vielleicht ändern, wenn deutsche Unternehmen zu größerer Sorgfalt verpflichtet wären. Ein entscheidender Hebel: Die Arbeiter der Zulieferfabriken bekämen die Möglichkeit, ihre Rechte vor deutschen Gerichten einzuklagen. Das würde auch gelten für die Betriebshaftpflicht und die entsprechenden Entschädigungen, die Christian Lahnstein von der Münchener Rückversicherung einfordert.

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