„Deutschland hat den Investorenschutz erfunden“
Aktionstag gegen TTIP. Ministerium befürworte Investorenschutz, sagt Völkerrechtler Krajewski
09. Okt. 2014 –
Hannes Koch: Am Samstag findet der europaweite Aktionstag gegen die umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) statt. Löst der breite Protest inzwischen Wirkung in der Politik aus?
Markus Krajewski: Ja, das merkte man schon, als die EU-Kommission zu Beginn des Jahres alle Bürger zur Stellungnahme zum Investorenschutz im TTIP aufforderte. Und aktuell schlägt der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi vor, ein abgespecktes Abkommen ohne die umstrittenen Punkte wie den Investorenschutz zu beschließen.
Koch: Wie sinnvoll wäre ein Freihandelsabkommen light?
Krajewski: Ich hielte das für sinnvoller als ein umfassendes Abkommen. Die technischen Probleme im transatlantischen Handel ließen sich damit beheben. Wenn heute ein Unternehmen Produkte in Nordamerika und Europa verkaufen will, sind teilweise zwei Testverfahren nötig. Auch Zulassungen müssen doppelt beantragt werden. Solche Hindernisse zu beseitigen, würde den Interessen der Wirtschaft dienen und insgesamt Kosten sparen.
Koch: Umstritten ist besonders der geplante Investorenschutz. Firmen sollen Staaten auf Schadensersatz verklagen können – und zwar vor speziellen Schiedsgerichten jenseits der normalen Gerichtsbarkeit. Das kritisiert nun auch SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Wird er sich damit in der Bundesregierung durchsetzen?
Krajewski: Ich fürchte, die Kritik ist nicht so hart gemeint, wie sie klingt. Traditionell befürwortet das Wirtschaftsministerium Abkommen zum Schutz von deutschen Investitionen im Ausland. So stellte Staatssekretärin Brigitte Zypries kürzlich ein Rechtsgutachten vor, das die These vertritt, die Schutzklauseln für Investoren im bereits ausgehandelten Abkommen mit Kanada seien nicht so gefährlich. Als Kompromiss könnte Gabriel einen angeblich entschärften Investorenschutz am Ende doch noch durchwinken.
Koch: Warum hat die Bundesregierung überhaupt ein so starkes Interesse an Regeln zum Schutz von Investitionen im Ausland?
Krajekski: Deutschland hat den Investorenschutz erfunden. 1959 schloss die Bundesregierung erstmals ein solches Abkommen mit Pakistan. Inzwischen gibt es 130 dieser Verträge mit anderen Staaten – so viele wie sonst nirgendwo. Nach dem 2. Weltkrieg hatte Deutschland keine militärischen Möglichkeiten, wollte als Handels- und Exportmacht aber trotzdem seine Wirtschaftsinteressen schützen. Deswegen wählte man den Weg, dass deutsche Unternehmen das Recht bekamen, vor speziellen Schiedsgerichten zu klagen, wenn beispielsweise ihr Eigentum in einem Entwicklungsland enteignet wird und die dortige Justiz nicht verlässlich ist.
Koch: Ist ein solches Interesse heute noch berechtigt?
Krajewski: Grundsätzlich ja. Das Ziel sollte aber sein, den nationalen Rechtsschutz in Entwicklungs- und Schwellenländern so auszubauen, dass Investoren dort Gehör finden können. Man könnte auch überlegen, einen internationalen Investitionsgerichtshof einzurichten, ähnlich dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Vorteil: Verhandlungen fänden öffentlich vor einem ordentlichen Gericht statt, das einseitiger Parteinahme für Wirtschaftsinteressen unverdächtig wäre.
Markus Krajewski (45) lehrt und forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist dort Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht. Seine Spezialisierung liegt im Wirtschaftsvölkerrecht.