Deutschland hat ein Gülleproblem

Bauern bringen zu viel Gülle aus. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen empfiehlt, die Steuer auf Fleisch zu erhöhen.

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Von Hanna Gersmann

14. Jan. 2015 –

Mit einer solchen Empfehlungen macht man sich kaum Freunde: Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Fleisch, Eier und Milchprodukte solle abgeschafft werden. In den Kantinen öffentlicher Einrichtungen sollten öfter vegetarische Gerichte und halbe Fleischportionen“ auf der Speisekarte stehen. So meldete sich am Mittwoch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, kurz SRU,  zu Wort. Die Regierungsberater legten ihr Gutachten: „Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem“ vor.

Stickstoff, das chemische Element N, ist kein tödliches Gift, sondern ein wichtiger Pflanzennährstoff. Dünger, auch Jauche, Mist und Gülle enthalten ihn. Nur: Es kann zu viel des Guten sein. Wird gedüngt, was die Ställe hergeben, kommt mehr Stickstoff aufs Feld als die Wurzeln dort aufnehmen. Er entweicht als Lachgas in die Luft oder landet als Nitrat im Boden und Grundwasser. Seit Biogasanlagen boomen, treiben auch die dort entstehenden Gärreste die Werte nach oben.

An überdüngten Stellen wuchern dann Brennesseln oder Brombeeren, andere Pflanzen gehen ein. In Gewässern nehmen Algen zu, die andere Pflanzen ersticken. Vor allem gilt Nitrat aber als gesundheitsschädlich, weil es im Körper des Menschen in Krebs erzeugendes Nitrit umgewandelt werden kann.

Die Europäische Kommission hat längst moniert, dass Deutschland zu wenig tut, europäische Grenzwerte überschritten werden und die Bundesrepublik mit Malta die höchsten Nitratkonzentrationen im Grundwasser aufweist. Ein Vertragsverletzungsverfahren läuft.

Und für die Betreiber der Wasserwerke in Deutschland ist es kostspielig, dass Nitrat 27 Prozent aller Grundwasserkörper verunreinigt: Laut Berechnungen von Umweltschützern müssen sie jedes Jahr bis zu 25 Milliarden Euro extra Reinigungskosten aufbringen. Wasser muss aufwendig verdünnt, Brunnen müssen verlegt oder aufgegeben werden.

Es sei ein „technisches Problem eigener Klasse“, sagte Heidi Foth. Die Direktorin des Instituts für Umwelttoxikologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sitzt im Sachverständigenrat. Sie meint: „Wir kommen an die Grenzen des Machbaren.“
 
Der Straßenverkehr tut das Seine zur Belastung dazu. In Verbrennungsmotoren vor allem mit Diesel entstehen Stickoxide. Doch die Landwirtschaft gilt den Regierungsberatern als „Hauptverursacher“ der Belastung. Sie empfehlen denn auch nicht nur die Verbraucher in die Pflicht zu nehmen, sondern auch die Landwirte. Da sei der beste Hebel die sogenannte „Düngeverordung“.

CSU-Bundesagrarminister Christian Schmidt hat kurz vor Weihnachten auch bereits eine Reform vorgelegt, die in den nächsten Monaten im Bundestag beraten werden soll. So sollen Bauern künftig zum Beispiel von Anfang Oktober bis Ende Januar das Kot-Harn-Gemisch gar nicht mehr auf den Äckern verstreuen dürfen. Sie müssen zudem Lagerkapazitäten für sechs Monate vorhalten, große Betrieb ab 2020 für neun. Das sorgt schon jetzt für Unruhe.

Vertreter des Bauernverbandes halten die Novellierung für überflüssig. Schon im letzten Oktober hat der Bayerische Bauernverband eine Kuh mit Windel auf die Alm geschickt – um gegen überzogene neue Regeln zu protestieren.

Dem Sachverständigenrat aber geht die Reform nicht weit genug. Er wünscht sich, dass möglichst viele Betriebe bald dazu verpflichtet werden eine Art Input-Output-Stickstoff-Buchhaltung, Hoftorbilanz genannt, zu machen. Wie viel Futter kauft der Landwirt für die Tiere, wie viel Dünger für die Felder. Und was verlässt den Hof?

Nur mit dieser Art Stickstoffmanagement ließen sich die Höfe kontrollieren, erklärt SRU-Mitglied Karin Holm-Müller, die in Bonn Professorin für Umweltökonomie ist. Doch diese Bilanz sieht die Regierung erst ab  2018 für wenige große Betriebe vor.  Holm-Müller: „Das sind zu viel Ausnahmen“.

Das Stickstoffproblem werde „unterschätzt“, so die Regierungsberater.  Davon den Mehrwertsteuersatz für Schnitzel, Keule und Braten zu erhöhen, ist in der Regierung derzeit jedenfalls keine Rede.


Kasten: Das viele Vieh
27 Millionen Schweine und 13 Millionen Rindern, 128,9 Millionen Geflügeltiere stehen hierzulande in den Ställen. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden 57 Prozent aller Schweine gehalten. Die Geflügelhaltung ist mit 45 Prozent des gesamten Bestandes besonders auf Niedersachsen konzentriert. Dagegen hat in Bayern die Rinderhaltung einen hohen Anteil. Rund 26 Prozent aller Rinder stehen in Bayern.

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