Deutschland raus, Kurse runter

Großturniere bringen wirtschaftlich wenig / Investitionen kommen meist nicht wieder herein

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Von Wolfgang Mulke

31. Mai. 2012 –

Für die Ökonomen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist der Ausgang der Fußball-Europameisterschaft bereist heute entschieden. „Spanien wird gewinnen“, glaubt DIW-Chef Gert Wagner. Die deutsche Elf sieht der Wissenschaftler nur auf dem zweiten Rang. Die Prognose ist nicht einfach aus der Luft gegriffen, sondern basiert auf einem einfachen Modell. Je höher der Marktwert eines Teams ist, desto besser schneidet es ab. Mit dieser Methode hat Wagner bereits den Ausgang der letzten großen Turniere richtig vorhergesagt. Lupenrein rechnen die Forscher dabei allerdings nicht. England erhält auf den Marktwert einen Abschlag, weil die Mannschaft von der Insel durch allerlei Eskapaden und Besonderheiten bei früheren Wettbewerben immer wieder vorzeitig ausgeschieden ist. Natürlich weiß auch Wagner, dass viele zufällige Faktoren seine Rangliste durcheinander bringen können.


Fußball funktioniert wie die Wirtschaft insgesamt. Am Ende setzt sich in der Regel das Team durch, in das am meisten oder am intelligentesten investiert wurde. Eine so einfache Formel gibt es für die Veranstalter der großen Turniere nicht. Vor dem Start erhoffen sich die Ausrichter meist erhebliche volkswirtschaftliche Effekte durch die Veranstaltung. Die Bauwirtschaft profitiert, weil Straßen oder Stadien neu errichtet werden. Hoteliers und Gastronomen füllen die vielen Tausend mitreisenden Fans die Kassen. Doch wenn Kosten und Nutzen einander gegenübergestellt werden, fällt die Bilanz eher mager aus, wie die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland zeigt. „In den Statistiken ist kein wirtschaftlicher Effekt erkennbar“, sagt Wagner. Zu diesem Ergebnis kamen neben dem DIW auch andere Einrichtungen. Das österreichische Institut für Sportökonomie kam immerhin auf einen positiven Effekt von 0,3 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Allerdings resultiert der größte Teil der Impulse aus staatlich finanzierten Infrastrukturausgaben.


Reiche Länder wie Deutschland oder Großbritannien können sich die Ausrichtung von Veranstaltungen wie der WM oder den Olympischen Spielen noch leisten. Bei ärmeren Ländern reißen die notwendigen Investitionen in die Spielstätten schnell tiefe Löcher in den Haushalt. So wird einer der Gründe für die Schuldenprobleme Griechenlands auch in den auf Pump gebauten Stadien und Infrastrukturprojekten für die Olympischen Spiele 2004. Und auch Südafrika machte mit der Fußball WM 2008 ein dickes Minus. Zwar seien viele überfällige Investitionen in die Infrastruktur und die Sicherheit getätigt worden, resümierte das DIW in einer Analyse der Auswirkungen, doch habe das Geld dafür dann an anderer Stelle, zum Beispiel bei der Bildung, gefehlt. Außerdem haben Wagner zufolge meist die wohlhabenden Weißen von den Ausgaben profitiert. „Diese Ereignisse lohnen sich gesamtwirtschaftlich nicht“, schließt der Forscher.


So werden wohl auch die Hoffnungen der EM-Länder Polen und Ukraine auf einen fußballgetriebenen Aufschwung unerfüllt bleiben. Auf rund 35 Milliarden Euro schätzen Fachleute der Berenberg Bank und des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs (HWWA) in einer gemeinsamen Studie die öffentlichen Investitionen für die EM allein in Polen. Autobahnen wurden neu gebaut, Bahnverbindungen errichtet, Stadien erneuert. Weitere elf Milliarden Euro lässt sich die Ukraine den Wettbewerb kosten. Für beide Länder bedeuten die Ausgaben eine gewaltige Anstrengung. „Die volkswirtschaftlichen Effekte liegen in Polen und der Ukraine zumindest über der Spürbarkeitsschwelle“, stellen die Experten fest. Doch vor allem der Werbeeffekt könnte demnach langfristig positiv wirken. Gastgeberländer würden Wettbewerbsfähigkeit signalisieren und die Aufmerksamkeit internationaler Investoren wecken, heißt es in der Studie.


Auswirkungen großer Turniere stellen die Forscher beim Börsengeschehen fest. Während eines Spiels der eigenen Nationalmannschaft geht das Handelsgeschehen an den Börsenplätzen des Landes um 45 Prozent zurück. Siege bringen keine Kursprünge nach oben, Niederlagen aber welche nach unten. „Gewinnt die DFB-Elf den Titel, ist mit keinem Kurssprung zu rechnen“, glauben die Wissenschaftler, „scheidet sie hingegen aus, wird dies am nächsten Handelstag auf Stimmung und Kurse drücken.“




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