Deutschland soll effizienter werden

Umweltministerin Barbara Hendricks fordert, die Verschwendung von Rohstoffen zu stoppen

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Von Hanna Gersmann

10. Nov. 2014 –

Die Wende kam am 19. August diesen Jahres – an dem Tag hatte die Menschheit „das Budget der Natur für dieses Jahr“ schon aufgebraucht. Für den Rest des Jahres, so erklärte da die US-Umweltschutzinitiative Global Footprint Network, baue die Welt ein ökologisches Defizit auf.

Rohstoffe werden knapp. Verschwendung ist teuer. Darum soll „Deutschland die ressourceneffizienteste Volkswirtschaft der Welt werden“, forderte am Montag SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks auf dem „Europäischen Ressourcen Forum“ in Berlin, zu dem mehr als 750 internationale Experten anreisten.

Was das heißt? Beispiel Flugzeugbau. Die Schaufelräder für die Turbinen werden zumeist aus einem Titanblock gefräst. Da fällt eine Menge Überschuss an. Sie lassen sich aber nach einem neuen Verfahren auch ähnlich wie eine Kirchenglocke gießen. Materialeinsparung: Bis zu 75 Prozent.

Oder der Werkzeughersteller Hilti. Die Konkurrenz fräst ihre Bohrer aus einem Stahlstab heraus, das Lichtensteiner Unternehmen hingegen zieht und dreht den Stahl zunächst in die richtige Länge und fräst erst dann. Das hört sich unspektakulär an, doch werden auch so 30 Prozent weniger Stahl verbraucht. Die Deutsche Materialeffizienzagentur, die Hersteller beraten will, geht davon aus, dass durchschnittlich über 200.000 Euro bei den Materialkosten pro Jahr und Unternehmen eingespart werden könnten. Dafür seien oft nicht einmal „größere Investitionen notwendig“, meint Hendricks. Das lohne sich.  

Dahinter steht die Rechnung, wie sich die Produktionskosten in der deutschen Industrie zusammensetzen: Nur zwei Prozent  machen typischerweise die Energiekosten aus, über deren Senkung bislang vor allem geredet wird. Deutlich mehr – im Schnitt rund 45 Prozent – geben die Unternehmen aber für Materialkosten aus. Tendenz: steigend. Rohstoffe werden teurer, allen voran spezielle Hi-Tech-Metalle wie Neodym. Dabei wird es immer öfter gebraucht – aus ökologischen Gründen.

Denn Neodym steckt in grünen Vorzeigeprojekten, in Elektroautos oder in den Elektromagneten für moderne Windräder. Je nach Leistung wird für eine Anlage eine Tonne Neodym benötigt. Der Preis für eine Tonne des Metalls, eine sogenannte seltene Erde, ist von 25.000 Dollar im Jahr 2005 auf rund 700.000 Dollar im Jahr 2012 gestiegen. Die Metalle kommen vor allem aus China. Für die Gewinnung dort muss eine Menge Boden bewegt werden. Giftige Schlacke entsteht.

Die ärmeren Länder litten „überproportional unter den ökologischen und sozialen Folgen der Reesourcennutzung“, erklärt Maria Krautzberger, Chefin des Umweltbundesamtes. Der Pro-Kopf-Konsum von Rohstoffen sei in Europa rund dreimal so hoch wie in Asien und viermal so hoch wie in Afrika. Als modernes Industrieland müsse Deutschland „alles daran setzen“, weniger Rohstoffe zu verschlingen.

Gibt es andere Stoffe? Ist mit weniger Material auszukommen? Lässt sich die Lebensdauer von Produkten verlängern? Und: Kann Kaputtes recycelt werden? – bisher hapere es vor allem daran, dass den Unternehmen dazu Informationen fehlten, meint Krautzberger.  Mehr Beratung, aber auch mehr Forschung sei nötig. Das sei alles im Interesse der Wirtschaft selbst.

Das sieht Karl Falkenberg, Umwelt-Generaldirektor in der EU-Kommission, ähnlich. Er meint: „Europa ist schlecht ausgestattet mit Rohstoffen, unsere Wettbewerbsfähigkeit baut auf technischem Fortschritt, auf Design und Effizienz auf.“


Denkbar sei, so sagt Hendricks, dass material- und rohstoffeffizienteste Gerät einer Klasse zum Maßstab für alle Geräte zu machen. Darum wolle sie „eine Lanze brechen“ für die umstrittene EU-Ökodesignrichtlinie. Die ist dafür verantwortlich, dass Stromfresser wie Glühbirnen vom Markt verschwinden müssen. Für Verbraucher sei das von Vorteil, meint Hendricks: „Menschen, die sowieso ein neues Produkt kaufen wollen, bekommen ein besseres und effizienteres.“  



Kasten: Sparsamer im Alltag

Allein für ein Handy werden rund 60 Materialien, darunter rund 30 Metalle wie Kupfer, Gold, Silber oder Lithium sowie Keramik und verschiedene Kunststoffe benötigt. Der daraus resultierende Verbrauch von 1.300 Liter Wasser entspricht dem Trinkwasserverbrauch einer Person in 10 Tagen. In jedem Alltagsprodukt stecken Ressourcen.
Umweltministerin Barbara Hendricks empfiehlt: Geräte länger zu nutzen, alte gebrauchsfähige Geräte zu verkaufen und defekte Geräte zu reparieren oder zum Recycling zu bringen. Und beim Kauf auf das Umweltzeichen „Blauer Engel“ achten.

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