Deutschlands lahmes Internet
Wirtschaftsminister Rösler freut sich über Mini-Wachstum. Tut er auch etwas, damit es mehr wird?
17. Jan. 2012 –
Philipp Rösler ist der Wachstumsminister im Kabinett Merkel. In sein Ressort fällt das Wohlergehen der Wirtschaft. Obwohl die deutsche Ökonomie 2012 voraussichtlich nur knapp an der Stagnation vorbeischrammt, freut sich der FDP-Wirtschaftsminister im Jahreswirtschaftsbericht über die im Vergleich zu anderen Ländern positive Entwicklung und die weiter steigende Beschäftigung. Bleibt aber die Frage: Was tut Rösler, außer lobpreisen?
Pluspunkt
Im Verein mit Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bemüht sich der Wirtschaftsminister, mehr gut ausgebildete Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen. Diese brauchen die Unternehmen dringend, wenn die Zahl der inländischen Bewerber in einigen Jahren stark zurückgeht. Ohne spezialisierte Mitarbeiter können die Firmen nicht produzieren und auch nicht wachsen. Im vergangenen Dezember beschloss das Kabinett deshalb, die Lohnschwelle für hochqualifizierte Zuwanderer zu senken. Ausländische Ärzte, Computerfachleute oder Mathematiker dürfen künftig langfristig in Deutschland bleiben, wenn sie beispielsweise einen Arbeitsplatz nachweisen, der mindestens 33.000 Euro Einkommen im Jahr bringt. Bisher liegt die Grenze bei etwa dem Doppelten, was Einwanderung erschwert.
Minuspunkt
Rösler kann sich nicht dazu durchringen, das hiesige Internet gesetzlich zu beschleunigen. Im neuen Telekommunikationsgesetz, so hört man, sollen die Anbieterfirmen verpflichtet werden, eine Übertragungsgeschwindigkeit von mindestens einem Megabit pro Sekunde zu gewährleisten. Das ist ein Witz. Südkorea beispielsweise schreibt ein Gigabit vor – das tausendfache Tempo. Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) regt an, wenigstens 50 bis 100 Megabit anzupeilen. Sonst würden moderne Internetanwendungen wie Cloud-Computing auf dem deutschen Daten-Feldweg steckenbleiben – das Wachstum ebenfalls.
Gemischte Bilanz
Die Energiewende, ein gigantisches Konjunktur- und Wachstumsprogramm, trägt Rösler zwar mit, greift aber immer wieder störend ein. Gerade hat er vorgeschlagen, die Einspeisevergütung für Ökostrom zu kippen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien würde dadurch gebremst.
In der Lohnpolitik freut sich der Wirtschaftsminister zwar darüber, dass die Einkommen der Beschäftigten nach langen Jahren der Stagnation steigen. Die Unternehmen zu beherzten Lohnerhöhungen ermutigen will Rösler aber nicht. DIW-Chef Gert Wagner rät demgegenüber zu einem Lohnplus von durchschnittlich drei Prozent in diesem Jahr. Dadurch stiege die Inlandsnachfrage und der für manche Nachbarländer gefährliche Exportüberschuss Deutschlands ginge zurück. Beides wäre gut für das Wachstum in Deutschland und Europa.
Info-Kasten
Jahreswirtschaftsbericht
Am Mittwoch präsentiert Wirtschaftsminister Rösler die offizielle Darstellung der Lage. Demnach beträgt das Wachstum 2012 nur noch 0,75 Prozent (drei Prozent 2011). Trotzdem soll die Zahl der Beschäftigten um 220.000 steigen auf 41,3 Millionen. „Gute“, sozialversicherungspflichtige Arbeit nehme ebenfalls zu. Die Erwerbslosigkeit sinke um ca. 100.000 unter den Jahresdurchschnitt von drei Millionen Personen – dem niedrigsten Niveau seit 1991. „In einigen Regionen herrscht Vollbeschäftigung“, schreibt die Regierung.