Dicke Luft

Politiker-Fahrzeuge im CO2-Vergleich

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Von Björn Hartmann

11. Jul. 2023 –

Cem Özdemir hat Pech. Der grüne Bundeslandwirtschaftsminister nutzt ein E-Auto als Dienstwagen. Geringer CO2-Ausstoß – vorbildlich. Dennoch zeigt ihm die Deutsche Umwelthilfe in ihrer diesjährigen Dienstwagen-Liste die gelbe Karte – 2022 war es noch eine grüne. Dabei fährt Özdemir denselben Wagen. Im Vergleich zu anderen Spitzenpolitikern ist er immer noch sehr sauber unterwegs. Besonders schlecht sieht es bei Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen, CDU) und Kai Wegner (Berlin, CDU) aus.

Özdemir macht der deutsche Strommix zu schaffen: Der Anteil von Strom vor allem aus Kohle hat sich wegen des Ukraine-Kriegs und der Gasknappheit erhöht, gleichzeitig ist Deutschland aus der Atomenergie ausgestiegen. Özdemirs E-Dienstwagen tankt jetzt weniger Ökostrom – entsprechend steigt anteilig die CO2-Menge, die er verantwortet. Und weil Özdemir ein weniger effizientes E-Auto fährt als zum Beispiel seine vorbildlichen Ministerkolleginnen Lisa Paus (Familie), Svenja Schulze (Entwicklungshilfe) und Steffi Lemke (Umwelt), deren E-Fahrzeuge allesamt unter dem europäischen Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer liegen, reichte es nur für die gelbe Karte.

Die Umwelthilfe hat sich zum 17. Mal die Dienstwagen der führenden Politiker in Bundesministerien und Landesregierungen angesehen. 257 Fahrzeuge wurden erfasst, 59 reine Elektroautos, 76 reine Verbrenner, der Rest waren sogenannte Plug-in-Hybride, kombinierte E-Motoren und Verbrenner. Insgesamt ist der CO2-Ausstoß im Vergleich zum vergangenen Jahr gesunken, weil sich die Zahl der E-Fahrzeuge erhöht hat, wie Barbara Metz sagte, Bundesgeschäftsführerin der Umwelthilfe.

Den Listen zufolge haben offenbar vor allem Politiker von CDU und CSU Probleme mit E-Fahrzeugen, allenfalls Plug-in-Hybride kommen vor. Spitzenpolitiker der CSU haben zudem binnen eines Jahres vier der acht derartigen Fahrzeuge gegen Dieselautos getauscht. Für die Bayern muss es wohl ein Verbrenner sein. Und auch SPD-geführte Ministerien punkten nicht gerade mit sauberen Fahrzeugen.

Über alle Bundes- und Landesministerien fährt Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) am saubersten. Ihr Fahrzeug stößt im Schnitt nur 68 Gramm CO2 je Kilometer aus. Am dreckigsten unterwegs sind Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wüst und Berlins Regierender Bürgermeister Wegner mit je 380 Gramm CO2 je Kilometer. Beide sind in der CDU. Parteikollegin Manja Schreyer, wegen ihrer Radwegpolitik umstrittene Umweltsenatorin Berlins, liegt mit ihrem E-Auto auf Platz 2 der saubersten Fahrzeuge. Sie hat ihn von ihrer grünen Vorgängerin übernommen.

Einziger Ministerpräsident mit grüner Karte ist Wilfried Kretschmann aus Baden-Württemberg. Der Grüne zeigt, dass sich auch ein Flächenland mit E-Auto bereisen lässt. Das Bundesland steht auch im Ländervergleich ganz oben – auch wenn es bei allen Dienstwagen der Ministerinnen und Minister im Schnitt nur zu einer roten Karte reicht. Platz zwei nimmt Hamburg ein, Platz 3 Sachsen. Ganz am Ende der Liste: Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Und auch Bayern liegt auf Platz 9 recht weit hinten. Hessen hat sich dank vieler neuer E-Autos binnen eines Jahres vom 15. auf den sechsten Platz der Tabelle hochgearbeitet.

Die Umwelthilfe hat die Ministerien zwischen Dezember 2022 und Februar 2023 befragt. Beim CO2-Ausstoß wird in der Regel nicht die Angabe des jeweiligen Herstellers genutzt, sondern die Werte, die im internationalen Messstandard WLTP ermittelt werden. Die Umwelthilfe bezog sich dabei auf Zahlen der international unabhängigen  Analyse-Organisation ICCT. Sie hat auch mitgeholfen, 2015 den Dieselskandal bei VW aufzudecken.

Für die Bewertung hat die Umwelthilfe bei Plug-in-Autos nur die Werte für den Verbrennermotor berücksichtigt. „Wir gehen davon aus, dass überwiegend dieser Modus genutzt wird“, sagte Dorothee Saar, Verkehrsspezialistin bei der Umwelthilfe. In der Regel reichen die E-Motoren auch nur für eine kurze Strecke. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), dessen Wagen offiziell 19 Gramm CO2 je Kilometer ausstößt, was für eine grüne Karte reichte, kommt nach WLTP-Regeln und im Verbrennermodus auf 192 Gramm – rote Karte.

Nicht erfasst sind die die besonders geschützten Fahrzeuge von Kanzler und Vizekanzler, von Innen- und Außenministerin sowie Gesundheits- und Verteidigungsminister. Hier geht schwerer Schutz vor CO2-Ausstoß. Eine grüne Karte gab es für CO2-Werte unter dem europäischen Flottenschnitt von 95 Gramm je Kilometer, eine rot für mehr als 114 Gramm je Kilometer.

Drei Männer ragen in der Untersuchung heraus: Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sowie die Staatssekretäre Udo Philipp und Sven Giegold aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Ihr CO2-Ausstoß ist praktisch nicht messbar. Sie haben keine Dienstwagen. Die drei fahren Dienstrad.

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