Die Angst vor der Restauration

Zur staatlichen Regulierung der Banken und Finanzinvestoren gibt es viele Pläne. Wenig wurde bisher ungesetzt

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Von Hannes Koch

16. Jul. 2009 –

Interessante Dinge hat der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick in London gesehen. Auf der britischen Insel arbeitet ein Amt namens Financial Services Authority. Diese Aufsichtsbehörde nimmt den Verbraucherschutz ernst. Sie schickt Kontrolleure in die Banken – als harmlose Privatanleger getarnt. Bei den Instituten führen die Prüfer fingierte Beratungsgespräch, lassen sich die Prospekte zeigen und nehmen die Geldanlagen unter die Lupe. Ob die Bank versucht, ihre ahnungslosen Kunden über den Tisch zu ziehen, fällt dabei schnell auf.


„Warum gibt es so eine Behörde in Deutschland nicht?“, fragt Schick. Tatsache ist: Der Verbraucherschutz im Bankenbereich gehört nicht zu gesetzlichen Aufträgen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Manche Institution in Deutschland kümmert sich ein bisschen darum, dass die Banken den Kunden keine haarsträubenden Produkte verkaufen, aber keine so richtig.


Würde eine solche Behörde hierzulande existieren, hätte sie den Millionen-Betrug mit den Ramsch-Zertifikaten der inzwischen bankrotten Lehman-Bank vielleicht verhindern, die Anleger zumindest warnen können. In ihr neues Schuldverschreibungsgesetz, das der Bundestag am Freitag verabschiedete, hat die große Koalition eine starke Verbraucherschutzbehörde trotzdem nicht eingebaut. Einige Verbesserungen sind zwar enthalten – etwa die Verlängerung der Verjährungsfrist bei betrügerischer Beratung – aber eine wirksame Aufsicht mit Stichprobenkontrollen wird nicht etabliert.


Seit zwei Jahren ist die Finanzkrise im Gange. Doch man fragt sich: Hat sich wirklich etwas geändert oder machen die Banken einfach weiter wie früher? Dass eher Letzteres zutrifft, befürchten viele. Zu den Skeptiker gehört Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes. „Vorläufig abtauchen, ansonsten aber fröhlich weitermachen“ - das sei das Motto der Institute, sagte Sommer am Mittwoch beim DGB-Kongress „Umdenken - Gegenlenken“. Bei derselben Veranstaltung ließ selbst Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) Argwohn erkennen: Manche Vermögensmanager „wollen die Restauration, die Rückkehr zum Status Quo“.


Um das zu verhindern, beschloss die große Koalition am vergangenen Donnerstag und Freitag mehrere Gesetze (siehe Kasten). Diese Maßnahmen suggerieren Aktivität. Trotzdem muss das Fazit bisher lauten: Es gibt zwar viele Pläne, praktisch umgesetzt worden ist aber fast nichts.


So existiert eine neue staatliche Banken- und Finanzmarktaufsicht mit drastisch erweiterten Kompetenzen bislang nicht. Weder kooperieren die Bundesbank und die Bafin, die beiden deutschen Kontrollinstanzen, auf neue, effektive Art miteinander, noch arbeitet eine einheitliche europäische Bankenaufsicht, die das komplizierte internationale Geflecht der Investoren überschauen würde. Auch auf der Ebene der Produkte hat sich bis auf wenige Ausnahmen nichts geändert. Grundsätzlich dürfen die Banken alles verkaufen, was sie wollen. Wenn sie heute keine faulen Immobilienkredite mehr zu vermeintlich gewinnträchtigen Wertpapieren bündeln, liegt das nur daran, dass die Käufer vorsichtiger geworden sind.


Diese Einschätzung teilt Finanzminister Steinbrück nicht. „Ich will eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte“, sagte er beim DGB-Kongress – und er setze sie auch durch. Was stimmt? Ist Glas halb leer oder halb voll?


Beispiel Leerverkäufe: In der Tat hat die BaFin den Investoren bestimmte Geschäfte verboten. Ungedeckte Leerverkäufe, bei denen man mit Aktien spekuliert, die man gar nicht besitzt, dürfen nicht mehr stattfinden. Dies gilt für Aktien der Deutschen Bank, der Commerzbank und anderer Institute. Die BaFin will damit verhindern, dass Investoren den Aktienkurs nach unten treiben und das labile Finanzsystem zum Einsturz bringen.


Klingt konsequent – ist aber in Wirklichkeit aber eine vorübergehende Notmaßnahme, die nur bis Anfang 2010 gilt. Grünen-Finanzexperte Schick fordert dagegen: „Ungedeckte Leerverkäufe sollte man grundsätzlich verbieten. Der finanzielle Hebel und die daraus resultierende Gefahr für das Finanzsystem sind zu groß.“


Beispiel Eigenkapital: Durch die am Freitag beschlossene Änderung des Kreditwesengesetzes kann die BaFin den Instituten künftig vorschreiben, mehr eigenes Geld als Sicherheit in Reserve zu halten. Auch dies ist aber gedacht als Notmaßnahme für Krisenfälle. Manche Experten fordern dagegen, das Eigenkapital der Banken grundsätzlich massiv anzuheben. Die Möglichkeiten für risikoreiche Milliarden-Spekulationen würde damit stark eingeschränkt. Auch Steinbrück denkt in diese Richtung, konnte sich aber in der Europäischen Union nicht durchsetzen.


Reichhaltiger als die recht kurze Liste der praktischen, bereits umgesetzten Veränderungen ist der Katalog der Ankündigungen. Das ambitionierteste Vorhaben hat Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst kreiert: Eine neue Charta für nachhaltiges Wirtschaften solle auf der Ebene der Vereinten Nationen die Soziale Marktwirtschaft weltweit verbindlich machen. Die Regierungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen (G20) formulierten es konkreter und beschlossen, dass künftig „kein Markt, kein Akteur und kein Produkt“ ohne Regulierung oder Aufsicht bleiben solle. Und die EU hat sich geeinigt, drei neue Behörden für die Kontrolle der Banken, Versicherungen und Börsen zu schaffen. Dies wären Fortschritte – wenn sie umgesetzt würden. Bisher freilich handelt es sich um bloße Theorie.

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