Die Bahn braucht einen Macher
Kommentar
17. Dez. 2015 –
Niemand kann alles gleichermaßen gut. Davon sind Spitzenmanager nicht ausgenommen. Und es gilt auch für Bahnchef Rüdiger Grube. 2009 wurde der frühere Daimler-Manager geholt, um den von seinem polternden Vorgänger Hartmut Mehdorn hinterlassenen Scherbenhaufen zusammenzukehren. Gefragt war die Fähigkeit, mit allen Seiten gut kommunizieren zu können und die vielen Scherben wieder zu kitten. Diese Kunst beherrscht Grube zweifelsohne. Er hat die Bundestagsabgeordneten ebenso beruhigt wie das Verkehrsministerium, die Länder oder die Verkehrsverbände.
Am zweiten Teil der Aufgabe, das Unternehmen voranzubringen, könnte Grube nun scheitern. Nach sechs Jahren unter seiner Führung steht die Deutsche Bahn nicht viel besser da als zuvor. Immer wieder hat der Bahnchef versprochen: die Bahn kümmert sich nun um besseren Service und pünktlichere Züge, statt um die internationale Expansion. Das Sanierungsprogramm „Zukunft Bahn“ ist aber vor allem das Eingeständnis, dass selbstverständliche Unternehmensziele wie zufriedene Kunden in den letzten Jahren weit verfehlt wurden.
Zukünftig sollen die Züge pünktlicher kommen, die Fahrgäste besser informiert, die Stationen komfortabler werden. Alle Versprechen haben die Kunden in den letzten Jahrzehnten schon häufig gehört. Ebenso häufig blieben sie unerfüllt. Immerhin gibt es bald schnelles Internet in den Waggons. Das ist ein Fortschritt, aber im Vergleich zu den Herausforderungen, vor denen der Konzern steht, entlarvend wenig. Allein damit wird die Bahn im Fernverkehr kaum Marktanteile gewinnen. Denn solange andere Verkehrsträger, wie der von jeder Maut befreite Fernbus, durch die Politik besser gestellt werden, ist der Wettbewerb um Kunden nur schwer zu gewinnen.
Auch im Güterverkehr kann der Vorstand nicht recht erklären, wie die Zukunft konkret besser werden kann. Auch hier befördert der politische Rahmen die Konkurrenz auf der Straße. Solange der LKW-Verkehr billiger ist, wird die Bahn es in der Fläche schwer haben. Nicht viel besser sieht es im Nahverkehr aus, der für die Bahn lange Zeit ein sicherer und großer Gewinnbringer war. Selbst wenn der Konzern wieder mehr Aufträge gewinnen kann, bringen diese doch weniger ein. Dafür sorgen die Auftraggeber schon, in dem sie aus einem großen Los immer häufiger viele kleine machen, um die sich verschiedene Wettbewerber balgen. Die Länder sparen dadurch viel Geld ein. Für die Bahn wird das Geschäft hingegen immer schwieriger.
Mit milliardenschweren Investitionen will Grube den Koloss auf einen neuen Erfolgskurs steuern. Die Pläne kommen den Kundenwünschen entgegen, wie zum Beispiel die Anbindung vieler Großstädte an den Fernverkehr. Dafür steigt die Verschuldung kräftig an. Ob dieser Aufwand durch bessere Ergebnisse wieder hereingeholt werden kann, erscheint angesichts der politischen Rahmenbedingungen zweifelhaft.
Der Sanierungskurs hat noch eine zweite Seite, den Sparkurs. Doppelstrukturen werden abgebaut, Instandhaltungswerke geschlossen. Dazu soll das Management nun zusammenarbeiten. Das ist zwar eine verkürzte Zusammenfassung, veranschaulicht aber die auf der Hand liegende Frage, warum dies alles erst so spät geschieht?
Damit gerät auch Grube ins Visier. Ist er der Macher, den der Konzern jetzt an der Spitze braucht und nicht nur der Moderator, der das Umfeld des Konzerns ruhig stellen kann? Die Antwort wird der Aufsichtsrat spätestens 2017 geben müssen, wenn der Vertrag mit dem Bahnchef ausläuft. Üblicherweise werden derartige Kontrakte aber schon weit vorher verlängert, wenn die Eigentümer mit den Leistungen des Spitzenpersonals zufrieden sind. Viel Zeit für erste Erfolge des Sanierungsprogramms bleibt Grube also nicht mehr. Was die Bahn jetzt braucht, ist Durchsetzungskraft, vor allem gegenüber der Politik. Denn dort werden die Entscheidungen getroffen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn entscheidend sind. Momentan schadet der Bund als Eigentümer sein eigenes Unternehmen, in dem anderen Verkehrsträgern den Vorzug gibt.