Die Bahn drängt nach Europa

775 Pence für Arriva-Aktie

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Von Wolfgang Mulke

21. Apr. 2010 –

Die Deutsche Bahn will zum europäischen Schienenriesen werden. Einen großen Schritt dahin will der Konzern jetzt in die Wege leiten. Der Aufsichtsrat stimmt in den nächsten Stunden voraussichtlich einem Kaufangebot für das britische Verkehrsunternehmen Arriva zu. Am heutigen Donnerstag läuft die Frist für ein Barangebot an die Aktionäre der an der Börse notierten Gesellschaft ab. 775 Pence bietet die Bahn pro Aktien. Zusammen mit den Schulden des Unternehmens will der Konzern also rund 2,8 Milliarden Euro auf den Tisch legen. Dafür wäre die Bahn mit einem Mal einer der größten Busunternehmen Europas und könnte auch auf der Schiene in neue Dimensionen aufbrechen.

 

Es wäre nach dem Rückkauf der Spedition Schenker der zweitgrößte Coup der Unternehmensgeschichte. Die Gespräche mit Arriva sind schon lange im Gange und nach Angaben der Briten weit vorangeschritten. Doch noch ist nicht ausgemacht, ob mit der französischen SNCF nicht ein zweiter Interessent die Bühne betritt und einen Bieterstreit anzettelt. Das könnte den Preis für den Zukauf noch weiter in die Höhe treiben.

 

Arriva ist auch vielen Deutschen bekannt, denn das Unternehmen betreibt hierzulande bereits Eisenbahn- und Buslinien. Dazu gehört zum Beispiel die Prignitzer Eisenbahn, die in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen fährt, oder die Strecke von München nach Obersdorf. Die Briten sind in zwölf Ländern mit Bussen und Bahnen unterwegs und haben 44.000 Beschäftigte. Zusammen mit den 255.000 Bahner würde sich der Konzern wieder der Marke von 300.000 Mitarbeitern nähern.

 

Das Wachstum finanziert die Bahn auf Pump. Mit dem Kauf von Arriva steigt der Schuldenberg von derzeit 15 Milliarden Euro noch einmal um rund drei Milliarden Euro an. Gemessen am Gewinn der Briten würde es mehr als ein Jahrzehnt dauern, bis sich die Investition zu lohnen beginnt.

 

Die Übernahme wird von der Bundesregierung unterstützt. Verkehrsminister Peter Ramsauer hat bereits mehrfach gesagt, dass die Bahn auch ohne Börsengang weiter expandieren darf. Bahnchef Rüdiger Grube will zwar nicht mehr wie sein Vorgänger Hartmut Mehdorn die ganze Welt erobern. Doch in Europa sucht der Vorstandschef neue Märkte. Auf die europäischen Bahnen komme ein Konzentrationsprozess zu, an dessen Ende vielleicht drei oder vier große Unternehmen übrig blieben, glaubt der Bahnchef. Die Deutsche Bahn wolle in dieser Spitzengruppe mitmischen.

 

Dagegen regt sich bei den Grünen heftiger Widerspruch. „Der Größenwahn geht unter Grube weiter“, kritisiert der verkehrspolitische Sprecher, Anton Hofreiter. Der Abgeordnete befürchtet ein Ende des Wettbewerbs auf der Schiene, falls die Bahn einen guten Teil ihrer Konkurrenz im Inland übernimmt. Schon jetzt würden sich bei Ausschreibungen bisweilen nicht genügend Bieter finden. Der Vorstand solle lieber ein Konzept für einen besseren Bahnverkehr in Deutschland vorlegen, statt eine falsche und riskante Strategie weiter zu verfolgen, fordert Hofreiter.

 

 

 

 

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