Die Bahn wird blassgrün

Im Fernverkehr dominiert jetzt der Ökostrom. Bahn will grünen Stromanteil schnell ausbauen

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Von Hannes Koch

10. Apr. 2013 –


 

Der Schienenverkehr gilt als umweltfreundlich. Aber ohne Energie kommt kein Fahrgast ans Ziel. Zusammen verbrauchen allein die Züge der Deutschen Bahn jährlich zwölf Terrawattstunden Strom. Mit dieser Menge lässt sich der Großraum Berlin ein Jahr lang versorgen. Die Bahn ist damit auch der größte Stromverbraucher Deutschlands.


Neuerdings wirbt der Konzern mit einer grünen Bahncard. Die Botschaft des Slogans dazu verspricht die Verantwortung des Unternehmens für die nächste Generation. Dafür fahren die Züge im Fernverkehr seit Anfang April mit Ökostrom. Alle Fahrten auf Bahncards werden rechnerisch vollständig mit erneuerbarer Energie abgewickelt. Mit dieser grünen Welle ist nach Angaben des Vorstands keine Preiserhöhung verbunden, obwohl der Ökostrom teurer ist. Der Aufwand werde durch eine höhere Nachfrage wieder ausgeglichen, hofft das Unternehmen.


Doch wie grün ist die Bahncard wirklich? Die Bahn speist vor allem Strom aus Wasserkraft in ihr Netz ein. Dafür wurden langfristige Verträge über große Liefermengen mit Versorgern in Deutschland und Österreich abgeschlossen. Die Stromkonzerne RWE und E.ON sind hier dick mit im Geschäft. Zudem fließt Windstrom 48 Windrädern ins Bahnnetz. Für Wasserkraft hat sich der Konzern entschieden, weil dessen Produktion gut planbar und gesichert ist. Beim Einsatz von Windkraft blieben Züge bei einer längeren Flaute womöglich auf der Strecke mangels Energie stehen. Das Risiko geht das Unternehmen nicht ein.


"Das ist ein Quantensprung auf unserem Weg, als Umwelt-Vorreiter den Abstand zu anderen Verkehrsträgern weiter auszubauen", lobt Bahnchef Rüdiger Grube die grüne Bahncard, von der immerhin fünf Millionen Kunden Gebrauch machen. Die nächsten Ziele sind bereits vorgegeben. Bis Ende des Jahrzehnts wird gut Drittel des Stroms aus regenerativen Quellen kommen. Mitte des Jahrhunderts fahren die Züge ohne jeden CO2-Ausstoß. Umweltverbände loben das Vorhaben zwar grundsätzlich. "Die Bahn wird für Bahncard-Besitzer zum ökologischsten Verkehrsmittel", stellt der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fest.


Von einem Meilenstein könne dennoch nicht die Rede sein, schwächt der VCD das Lob gleich wieder ab. Umweltschützer sehen zwei große Schwachpunkte, die das Grün der Bahn deutlich blasser erscheinen lassen. Kritisiert wird zum einen der Einsatz von bereits vorhandenen Wasserkraftwerken. Dieser Ökostrom wird also lediglich zur Bahn umgelenkt und fehlt dann anderswo. Diesen Vorwurf weist der Erzeuger RWE zurück. Allein in diesem Jahr investiere das Unternehmen eine Milliarde Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien, erläutert eine Sprecherin des Versorgers.


Der zweite Kritikpunkt zeigt, dass der Weg hin zur Öko-Bahn noch weit ist. Denn unter dem Strich stammt bislang nur knapp ein Viertel des gesamten Bahnstroms aus erneuerbaren Energien. Im Nahverkehr und bei Gütertransporten ist von einer grünen Zukunft wenig zu sehen. 45 Prozent der Elektrizität kommt aus Kohlekraftwerken, weitere 20 Prozent liefern Atommeiler. Der VCD wirft der Bahn vor allem die indirekte Förderung des Baus eines neuen Kohlekraftwerks in Datteln vor, weil der Konzern auf bestehende Lieferverträge pocht.












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