Die Bedrohung der Osterlämmer

Ein neuer Virus bringt Missgeburten bei Schafen, Rindern und Ziegen / Schmallenberg-Virus wird durch Mücken übertragen / Keine Gefahr für Menschen

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Von Wolfgang Mulke

01. Feb. 2012 –

Eine neue Tierkrankheit bereitet den Landwirten Sorgen. Der so genannte Schmallenberg-Virus sorgt beim aktuellen Nachwuchs von Ziegen, Schafen und Lämmern für eine ungewöhnlich hohe Zahl von Missgeburten. Bis zu einem Drittel der Generation kommt geschädigt zur Welt.  Betroffen sind vor allem Lämmer. „Sie haben Missbildungen und häufig einen Wasserkopf“, berichtet die Expertin des Bundeslandwirtschaftsministeriums, Karin Schwabenbauer. Die Tiere sind nicht lebensfähig und sterben bald nach der Geburt.

Derzeit konnte der Virus in 186 Betrieben nachgewiesen werden. Der Westen und Norden des Landes sind besonders betroffen, vor allem Nordrhein-Westfalen, wo der Infekt im sauerländischen Schmallenberg auch erstmals entdeckt wurde. Auch in Hessen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Rheinland Pfalz sowie vereinzelt in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg wurden die Veterinäre fündig. Im europäischen Ausland sind Frankreich, die Niederlande, Belgien und Großbritannien betroffen.

Wie viele Tiere erkrankt sind, können die Behörden nicht sagen. Denn nach Einschätzung des auf Seuchen spezialisierten Friedrich-Löffler-Instituts (FLI), das abgeschottet auf der Ostseeinsel Riems forscht, ist die Krankheit selbst bereits im vergangenen Jahr ausgebrochen. Die Muttertiere erholen sich rasch davon. Doch wenn sie trächtig sind, kann das Virus beim Embryo das Gehirn und das Nervensystem schädigen. Die Folge davon sind Missbildungen.

Bislang waren vor allem Lämmer betroffen, weil die Tragezeit der Tiere mit 150 Tagen kürzer ist als bei Rindern. Bald kommt aber die nächste Generation Kälber zur Welt. Dann rechnen die Fachleute auch bei diesen Tieren mit vielen Fällen von Missbildungen. Bei Kühen lässt sich die Erkrankung relativ leicht erkennen, weil sie deutlich weniger Milch geben und eine erhöhte Temperatur aufweisen. Beides wird von den Landwirten ständig gemessen. Doch bei Ziegen- oder Schafherden fällt es nicht auf, wenn ein Tier mal schlapp ist.

Menschen müssen sich nicht vor dem Virus fürchten. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass eine Gefahr besteht“, sagt LFI-Forscher  Thomas Mettenleiter. Verwandte Viren wiesen keine derartigen Potenziale auf. Doch vorsichtshalber geht das Institut gemeinsam mit dem Robert-Koch-Institut dieser Frage noch auf den Grund. Denn bislang gibt es nur Vermutungen über den Ursprung des Schmallenberg-Virus. So weist es starke Ähnlichkeiten mit dem bekannten Akabane-Virus auf, das in Nigeria und Japan beobachtet wurde und ähnliche Infektionsfolgen auslöst. Einen Impfstoff gegen die neue Krankheit gibt es noch nicht. Frühestens im nächsten Jahr rechnet Mettenleiter damit.

Über den wirtschaftlichen Schaden für die Landwirte liegen auch noch keine Erkenntnisse vor. Doch aller Voraussicht nach bleiben die Folgen gering. Die Betriebe dürfen normal weiterarbeiten, da die Behörden derzeit keine weitere Ausbreitung der Seuche befürchten. Die Tiere dürfen auch verkauft werden, wenn sie wieder gesund geworden sind. Schaden entsteht durch die verlorenen Jungtiere und Nachteile beim Export. Russland und Mexiko haben einen Importstopp für Lebendtiere und Spermien verhängt. Andere Länder prüfen Restriktionen.

Auch Bund und Länder ziehen erste Konsequenzen. Per Verordnung will das Bundeslandwirtschaftsministerium eine zentrale Meldung und Erfassung von gefundenen Schmallenberg-Viren sicherstellen. Dem soll der Bundesrat im März zustimmen. In der Praxis laufen diese Informationen aber schon jetzt täglich in Berlin ein.

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