Die blinden Flecken der Erbschaftsteuer

Firmenerben müssen mit einer höheren Besteuerung des Betriebsvermögens rechnen. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

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Von Hannes Koch

17. Dez. 2014 –

Wenn ein Geschwisterpaar die Maschinenbau-Firma seiner Eltern im Wert von 300 Millionen Euro erbt, kann es vorkommen, dass die Nachkommen keinen Cent Erbschaftsteuer zahlen. Dies trifft auch für den Fall zu, dass das Unternehmen jährlich Millionengewinne erwirtschaftet. Das ermöglicht bisher das Gesetz über die Erbschaftsteuer. Nicht mehr lange: Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat wesentliche Regelungen am Mittwoch gekippt.

 

Die Entscheidung des Gerichtes ist sehr deutlich. Drei Paragrafen des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes hat es schlicht „für verfassungswidrig erklärt“. Die Richter und Richterinnen halten die „Privilegierung betrieblichen Vermögens“ in mancher Hinsicht für „unverhältnismäßig“. Besonders die Erben von großen Unternehmen und Konzernen, sowie die Familiennachkommen von kleinen Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten würden zu sehr begünstigt. Richtig findet das BVG jedoch grundsätzlich, dass die Erbschaftsteuer den Fortbestand mittelständischer Firmen und ihrer Arbeitsplätze nicht gefährden soll.

 

Bundestag und Bundesregierung hat das Gericht nun aufgetragen, bis Ende Juni 2016 eine Reform zu erarbeiten. Diese gilt dann möglicherweise rückwirkend ab jetzt. Wie der Gesetzgeber reagiert, ist noch unklar. Das teilweise verworfene Gesetz war 2008 unter der Ägide des damaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD) in der großen Koalition mit der Union entstanden.

 

Gegenwärtig sehen die Regelungen so aus: Firmenerben können sich entscheiden, ob sie das sogenannte Fünf-Jahres- oder das Sieben-Jahres-Modell in Anspruch nehmen. Im ersten Fall bleiben 85 Prozent des ererbten Betriebsvermögens steuerfrei, wenn die Summe der Löhne der Beschäftigten in den kommenden Jahren nur wenig sinkt. Dies soll verhindern, dass die neuen Besitzer die Firma abwickeln, verkaufen, die Jobs vernichten und steuerfrei Kasse machen. Im zweiten Fall des Sieben-Jahres-Modells bleibt sogar das gesamte Unternehmen von der Erbschaftsteuer befreit, wenn sich die Lohnsumme sieben Jahre nicht ändert, also alle Arbeitsplätze erhalten werden. Beide Regeln können kleine Betriebe bis zu 20 Stellen in Anspruch nehmen, ohne die Lohnsumme und den Erhalt der Jobs nachweisen zu müssen.

 

Die Verfassungsrichter in Karlsruhe haben nun festgestellt, dass Firmenerben von „kleinen und mittleren Betrieben“ grundsätzlich begünstigt werden dürfen, damit die Unternehmen und Arbeitsplätze weiterexistieren. So kommen sie den Argumenten der Wirtschaft entgegen: Dort heißt es, dass manche Nachkommen gar keine Erbschaftsteuer zahlen könnten, weil die Betriebe zu wenig Gewinn abwerfen und das Vermögen in Maschinen und Immobilien gebunden sei. Besteuerung könne in solchen Fällen zur Gefährdung der Firma führen, weil die neuen Inhaber Kredite aufnehmen müssten.

 

Allerdings dürfe die Begünstigung nicht zu weit gehen, hieß es in der Entscheidung. Besonders die Steuerfreiheit für sehr große vererbte Firmenvermögen verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, so die Richter. Einfach gesagt: Es ist ungerecht, wenn Erben von Bargeld oder Aktien Zehntausende Euro Erbschaftsteuer zahlen müssen, die neuen, jungen Besitzer des väterlichen Betriebs aber steuerfrei davonkommen.

 

Die Richter wiesen extra daraufhin, dass die Vorteile bei großen Firmen mittlerweile ein „enormes Ausmaß“ angenommen haben. Schätzungen zufolge wurde alleine 2012 vererbtes Firmenvermögen in Höhe von 40 Milliarden Euro steuerfrei gestellt. Hier müsse künftig geprüft werden, ob die Unternehmen und ihre Besitzer eine gewisse Erbschaftsteuer verkraften können, sagte das BVG.

Außerdem bemängelte das Gericht, dass kleine Betriebe bis 20 Beschäftigte Steuererleichterungen und Verschonung erhielten, ohne den Erhalt der Arbeitsplätze nachweisen zu müssen. „Erwerber von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten werden unverhältnismäßig privilegiert“, hieß es. Dies sei auch deshalb nicht hinzunehmen, weil „weit über 90 Prozent aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte“ haben. Die gegenwärtige Steuerbefreiung gehe deshalb zu weit.

 

Als Reaktion auf das Votum des Verfassungsgerichts mahnten unter anderem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Bundesverband der Mittelständischen Wirtschaft an, dass Arbeitsplätze in Unternehmen durch eine zu hohe Erbschaftsteuer auch später nicht gefährdet werden dürften.

 

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Zumutbare Steuer

Stefan Bach, Steuerexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, hält eine höhere Erbschaftsteuer in vielen Fällen für zumutbar. Er schlägt vor, dass die Abgabe beispielsweise über mehrere Jahre gestreckt und abgetragen werden könnte, wenn die Unternehmen Gewinn machen. Die Erbschaftsteuer wäre dann gewissermaßen eine zusätzliche Komponente der Körperschaft- oder Einkommensteuer. Für den Fall, dass Firmen keinen Gewinn erwirtschaften, könnte das Finanzamt die Erbschaftsteuer stunden, so Bach.

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