Die Bremse lockern

Weniger Wachstum: Mehr Staatsverschuldung wäre gut.

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Von Hannes Koch

20. Apr. 2019 –

Dramatisch ist die abgesenkte Wachstumsprognose der Bundesregierung nicht. Und doch gibt sie Anlass, grundsätzlich über die ökonomische und finanzielle Zukunft nachzudenken. Die Debatte ist schon im Gange: Wie halten wir es mit der Staatsverschuldung? Einiges spricht dafür, die Schuldenbremse im Grundgesetz zu lockern.

Auf nur noch 0,5 Prozent im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung taxiert Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Wachstum in diesem Jahr – unter anderem wegen des Brexit und der Handelskonflikte mit China und den USA. Die gute Nachricht: Die bundesdeutsche Wirtschaft läuft nach wie vor solide. Die Zahl der Arbeitsplätze steigt weiter. 2020 könnte deshalb wieder besser werden.

Aber selbst bei leidlichen Wachstumsraten zeigt sich, dass der finanzielle Spielraum des Staates beschränkt ist. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Schuldenbremse im Grundgesetz, die die Kreditaufnahme des Bundes auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt, diejenige der Länder und Kommunen ab kommendem Jahr komplett verbietet.

Deshalb plädieren nun einige Ökonomen für die Reform dieser Regel. Einer der Wortführer ist Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Seine Argumentation: Angesichts des technischen Umbruchs der Digitalisierung benötige das Land große Investitionen beispielsweise in Dateninfrastruktur und Bildung, die wegen der Schuldenbremse augenblicklich nicht finanziert würden. Das erscheint Hüther als besonders widersinnig, weil die Kreditzinsen langfristig so niedrig lägen, dass sich heutige Aufwendungen für die künftigen Generationen mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen. Ihr Ertrag falle absehbar höher aus als die Zinskosten.

Unbestritten ist diese Position freilich nicht. Dass die Zinsen dauerhaft niedrig bleiben, bezweifelt etwa Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München. Und Lars Feld vom Freiburger Walter-Eucken-Institut sagt, dass sich tatsächliche Investitionen nur schwer vom staatlichen Konsum abgrenzen ließen. Die Schuldenbremse zu demontieren, würde zahlreichen Ausgabewünschen damit wieder Tür und Tor öffnen.

Für die Lockerung der Schuldenbremse spricht jedoch zusätzlich, dass sich die Lage stark verändert hat, seit die Regierungskoalition sie vor zehn Jahren im Grundgesetz verankerte. 2009 schlug die große Finanzkrise zu. Der Schuldenstand des Staates stieg auf über 80 Prozent der Wirtschaftsleistung. Jetzt ist dieser Wert unter 60 Prozent gesunken. Die Regierung redet schon von 50 Prozent. Das beweist: Deutschland hat seine Finanzlage im Griff, der Schuldenstand stellt kein Problem mehr dar, die Zinsbelastung ebensowenig – vorläufig jedenfalls. Politik sollte darin bestehen, auf veränderte Umstände zu reagieren. Sonst wird sie zur Ideologie.

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