Die Bundesregierung glaubt noch an den Markt

USA, Island und Großbritannien verstaatlichen Banken, Deutschland nicht. Traut sich die Bundesregierung nicht?

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Von Hannes Koch

09. Okt. 2008 –

Das schlimme Werkzeug aus der Folterkammer des Kommunismus erfreut sich neuerdings großer Beliebtheit. Viele Politiker, denen man es nie zugetraut hätte, können mittlerweile der Verstaatlichung von Banken etwas abgewinnen. Selbst EU-Kommissar Günter Verheugen, der einst der liberalen FDP angehörte, schließt diese Möglichkeit nicht mehr aus. In den USA, Island und Großbritannien haben die Regierungen bereits mehrere Banken sozialisiert.

 

Auch Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn fordert die „intelligente Verstaatlichung“. Seine Überlegung: Wenn der Staat etwas zugunsten der Privatwirtschaft leiste, also eine Bank rette, müsse er auch eine Gegenleistung einfordern. Dabei gehe es um Gerechtigkeit. Wenn der Staat heute die Kohlen aus dem Feuer hole, sagt auch der grüne Finanzpolitiker Alexander Bonde, müsse er sich künftig an den eventuellen Gewinnen einer geretteten Bank beteiligen.

 

Die Bundesregierung verfolgt bislang einen anderen Weg. Sie nimmt die notleidenden Institute nicht in eigene Obhut und beschränkt sich bei der Unterstützung auf Darlehen und Bürgschaften. Das bedeutet aber nicht, dass die Manager und Aktionäre der strauchelnden Institute ungeschoren davonkämen. Die Bundesregierung übt ihren politischen Einfluss aus – auf indirektere Art als mit einer Verstaatlichung.

 

Ein Beispiel ist die Münchener Bank Hypo Real Estate (HRE). Zwar wird über die Einzelheiten noch verhandelt, grundsätzlich sieht der Rettungsplan aber so aus: Die Privatinstitute wie etwa die Deutsche Bank gründen eine sogenannte Zweckgesellschaft, eine Art Hypo-Not-Bank. Aus privaten und Bundesbank-Mitteln gibt diese Zweckgesellschaft der HRE einen Kredit von maximal 50 Milliarden Euro. Zur Sicherheit verpfändet die HRE ihr Vermögen an die Zweckgesellschaft. Der Bund bürgt für die Kredite.

 

Überlebt die angeschlagene Bank, zahlt sie die Kredite irgendwann zurück, und alles ist gut. Überlebt sie nicht, verkaufen die Gläubiger, darunter die Bundesbank, das HRE-Vermögen und refinanzieren ihren Kredit auf diese Weise. Das heißt aber auch: Die heutigen Anteilseigner der Hypo Real Estate, darunter der US-Fonds Flowers, wären quasi enteignet. Sie stehen mit ihrem gesamten HRE-Anteil im Risiko und verlieren im Extremfall ihren kompletten Aktienwert. Die Privaten zahlen also massiv – nicht nur der Staat.

 

Außerdem übt die Bundesregierung, obwohl sie die HRE nicht verstaatlicht, schon jetzt entscheidenden Einfluss aus. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erklärte unlängst öffentlich, dass er mit Bank-Chef Georg Funke nicht mehr zusammenarbeiten wolle. Wenige Tage später trat Funke zurück. Dass die Politik so deutlich über die Besetzung eines privaten Bankvorstandes befindet, kommt selten vor.

 

Zutreffend bleibt trotzdem: Die Politik führt die gefallene Bank am langen Zügel. Das hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil: Wer nicht direkt beteiligt ist, muss kein Bargeld auf den Tisch legen, sondern kann sich auf eine Bürgschaft beschränken. Der Nachteil: Wer keine Anteile besitzt, bekommt später keine Gewinnbeteiligung – wenn es denn einen Gewinn geben sollte.

 

Die Grundsatzentscheidung aber liegt tiefer. „Der Liberalismus ist in Deutschland noch nicht so erschüttert wie in Großbritannien oder den USA“, heißt es in Frankfurter Bankenkreisen. Man wolle zunächst einmal sehen, ob der private Sektor selbst in der Lage sei, eine Bank zu retten.

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