• Abschied vom WEF Davos 2024. Foto: Koch

Die Davos-Bilanz

Angespannt, aber nicht zerrissen

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Von Hannes Koch

19. Jan. 2024 –

Man muss das alljährliche Weltwirtschaftsforum in Davos nicht mögen. Diesen Kongress der Milliardäre, die die Welt gestalten wollen, weil sie es können, und es auch tun, wie gerade bei der Entwicklung der sogenannten künstlichen Intelligenz. Aber es ist ein guter Ort, um zu sehen, welche Kräfte den Lauf der Dinge prägen. Jake Sullivan, der unter anderem für Kriege zuständige enge Mitarbeiter von US-Präsident Joe Biden, beschrieb die internationale Lage so: „Strategische Konkurrenz in einer Ära der gegenseitigen Abhängigkeit“.

Auftritt Selenskyj

„Putin ist ein Raubtier, das sich nicht mit Tiefkühlkost zufrieden gibt“, sagte der Präsident der Ukraine im vollen Saal des Kongresszentrums von Davos. Wolodymyr Selenskyj spielte damit an auf Forderungen, den Krieg Russlands gegen sein Land „einzufrieren“ und die Gebietsverluste der Ukraine zu akzeptieren. Russlands Präsident Wladimir Putin werde jegliches Entkommen als Einladung zu weiterer Aggression verstehen. Erhoffte ausländische Firmenansiedlungen in seinem Land bezeichnete Selenskyj als Investitionen in die Sicherheit Europas.

Der Präsident der Ukraine legte den eindrucksvollsten Auftritt des diesjährigen Weltwirtschaftsforums (WEF) hin. Davos steht auf Seiten der Ukraine, offiziell wird Russland boykottiert. Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versuchte, Unternehmen zur Investition in dem angegriffenen Land zu bewegen. VertreterInnen von 80 Staaten nahmen an einer Friedenskonferenz mit der ukrainischen Regierung teil.

Fliegender Drache

Das WEF spiegelt, was draußen passiert. Die Welt hat sich nach dem russischen Angriff neu sortiert – und teils separiert. Aber nicht nur um diesen Konflikt ging es: Chinas Ministerpräsident Li Qiang machte Vorschläge zur Güte, indem er mehr wirtschaftliche Kooperation anregte, doch westliche PolitikerInnen wie Habeck und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhielten sich reserviert. Denn China einerseits, die USA und Europa andererseits konkurrieren um die politische und wirtschaftliche Führung. Gleichzeitig wissen die Regierungen, dass ihre Ökonomien stark verknüpft sind. Ein scharfer Konflikt könnte gigantische Schäden auf beiden Seiten verursachte.

Ökonomie als Waffe

Das WEF arbeitet als Lobbyorganisation der größten Konzerne und setzt sich traditionell für freien Handel weltweit ein. Doch die tatsächliche Entwicklung geht in eine andere Richtung. „Nun leben wir in einer Welt, in der wirtschaftliche Konkurrenz zunehmend mit Mitteln von Zöllen, Sanktionen, Importkontrollen und Protektionismus ausgetragen wird“, sagte Geoökonomin Katrin Kamin vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Ökonomie fungiert mehr und mehr als Waffe in der Auseinandersetzung zwischen Staaten.“

Runder Tisch

Doch die OrganisatorInnen des WEF wollen dem entgegenwirken. Sie betrachten den Kongress als alljährlichen Runden Tisch der Welt, an dem freundliche Gespräche die Gegensätze überbrücken sollen. Solche Momente gibt es immer wieder. So konnte der saudi-arabische Außenminister Prinz Faissal bin Farhan die Anerkennung Israels in Aussicht stellen, wenn das palästinensische Volk im Gegenzug wirklich einen eigenen Staat bekäme. Israels Präsident Izchak Herzog bezeichnete das als „Chance“. Wenngleich er darauf hinwies, dass die Zwei-Staaten-Lösung in Israel nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober wenig Unterstützung finde. UN-Generalsektretär Antonio Guterres beklagte, beide Kriegsparteien träten das Völkerrecht mit Füßen.

Künstliche Intelligenz

Am meisten interessierten sich viele ManagerInnen jedoch für die neuen Möglichkeiten des Maschinen-Lernens. Die entsprechenden Veranstaltungen waren immer voll. Werden KI-Programme wie ChatGPT so durchschlagende Wirkung entfalten wie die Entwicklung der Elektrizitätsversorgung im 19. Jahrhundert – und das Leben aller verändern? „Ja“, sagte Qualcomm-Chef Cristiano Amon. Economist-Chefredakteurin Zanny Beddoes machte einen skeptischen Eindruck. Optimistisch wie sie sind, hoffen die Unternehmen auf steigende Produktivität, Wachstumsraten und Gewinne. Guterres forderte einen internationalen Regulierungsrahmen, um mögliche Auswüchse der KI zu begrenzen.

Davos forever?

Wenn die Welt, zum Teil zumindest, auseinandertreibt, gibt es großen Gesprächsbedarf. So kamen dieses Jahr 60 Staats- und Regierungsspitzen nach Davos, mehr als sonst. Wobei an wirklich wichtigen ein gewisser Mangel herrschte. So reiste von den Staatschef der westlichen G7-Gruppe nur Emmanuel Macron aus Paris an. Afrika und Südamerika waren insgesamt schwach vertreten, Asien und der Nahe Osten dagegen stark. So oder so: Wenn in zwei Jahren möglicherweise der neugewählte US-Präsident per Helikopter einschwebt, wie Donald Trump 2020, werden im Pressezentrum alle Tische besetzt sein.

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