„Die Deutschen gönnen sich mehr“

TUI-Deutschland-Chef Marek Andryszak über den Buchungsboom, Corona und kurzfristig noch freie Urlaubsziele

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Von Björn Hartmann

06. Jul. 2021 –

Weniger Infektionen, mehr Geimpfte: Nach dem harten Lockdown können die Deutschen wieder verreisen. TUI, führender Urlaubskonzern der Welt, profitiert nach einem sehr schwachen Jahr 2020. Deutschland-Chef Marek verrät, welche Ziele besonders beliebt sind und wo es noch nicht so voll ist.

Herr Andryszak, wo machen Sie dieses Jahr Urlaub?

Im Mai war ich auf Mallorca. Und jetzt im Sommer fahre ich nach Dänemark.

Ins Ferienhaus.

Genau. das habe ich schon Anfang Dezember gebucht. Ich wusste nicht, wie sich Corona entwickelt und dachte, das ist neben dem Cluburlaub eine der sichersten Varianten.

TUI steht doch eher für die Pauschalreise. Wie hat die den Corona-Lockdown überstanden?

Als letztes Jahr die Flüge nahezu vollständig gestoppt wurden, war ja kein Urlaub mehr möglich. Sobald Flüge wieder erlaubt, Länder wieder offen waren, haben wir gesehen, dass die Kunden die Pauschalreise deutlich bevorzugen. Sie macht derzeit gut 70 Prozent der Buchungen aus.

Warum lieben die deutschen die Pauschalreise?

Man muss sich um nichts mehr kümmern, wenn man gebucht hat. Wir sorgen dafür, dass alles problemlos läuft, auch wenn sich noch etwas ändert. Ich muss mich nicht um Hotel, Flug, Transfer kümmern. Aus meiner Sicht gewinnt die Pauschalreise sogar an Marktanteilen, weil auch Kunden, die sich ihre Reisen gern selbst zusammenstellen, etwas mehr Sicherheit schätzen. Und sie ist auch ein Vorteil eines Konzerns wie TUI.

Warum?

Aus Sicht des Unternehmens ist es einfacher, neu zu starten, wenn man weiß, dass man selbst die Hotels öffnet, selbst Schiffe betreibt, selbst die Flüge anbietet und sich auch um die Transfers dazwischen kümmert. Deshalb konnten wir auch schneller als alle anderen entscheiden und das Angebot hochfahren.

Wie läuft das Geschäft bei TUI bisher?

Bis Ende April war es eher mau. Es gab zu viel Unklarheit bei den Regeln. Der Mallorca-Urlaub zu Ostern war ein erster Neu-Start. Anfang Mai ging es dann sprunghaft los. Unsere Kunden fingen an zu buchen. Und kurzfristig zu verreisen. In der zweiten Mai-Hälfte waren wir in Deutschland ungefähr auf dem Buchungsniveau vom Sommer 2019, also der Vor-Corona-Zeit. Inzwischen sehen wir deutlich höhere Buchungszahlen als zur gleichen Zeit 2019. Die Menschen wollen jetzt einfach raus.

Wo geht es hin?

Die Zahl der Ziele ist geringer als 2019. Topziel sind die Balearen mit Mallorca. Es wird so viel gebucht, wie wir noch nicht erlebt haben. Ebenfalls sehr gut läuft Griechenland. Und die Kanaren. Inzwischen holt auch die Türkei deutlich auf. Und Reisen nach Kroatien, Österreich und innerhalb Deutschlands, meist mit dem eigenen Auto. Wir bieten die Hotels.

TUI betreibt in Deutschland 22 eigene Flugzeuge. Was ist mit denen?

Die Flotte ist seit vergangenem Wochenende wieder komplett in der Luft. An allen Tagen der Woche.

Wie viel geben die Deutschen im Schnitt für eine Reise aus?

Derzeit sind es mehr als 90 Euro pro Gast und Nacht. Vor allem geben die Urlauber mehr Geld aus. Das Paket, das wir im Mai 2019 für ein bestimmtes Hotel in Palma auf Mallorca angeboten haben, kostet heute im Prinzip noch genau so viel, aber die Kunden wählen ein besseres Zimmer, eine bessere Verpflegungsvariante, einen längeren Aufenthalt – insgesamt eine bequemere Reise. Mehr Wohlfühlen. Die Deutschen gönnen sich mehr. Und das führt zu einem höheren Preis.

Das ist gut für TUI.

Das ist gut für alle.

Wenn ich noch nicht gebucht habe, wo gibt es noch freie Plätze für die übernächste Woche?

Was wir seit Wochen bei den Buchungen erleben, ist gewaltig. Andererseits gibt es immer noch viele interessante Angebote. Denn anders als in früheren Jahren ist von Januar bis März nur sehr wenig gebucht worden.

Mallorca ist nicht überfüllt?

Nein. Ich war Anfang Mai auf Mallorca und ich fand es fantastisch. Die touristischen Gebiete waren weit davon entfernt überlaufen zu sein, Restaurants waren gut erreichbar. Jetzt ist es etwas voller, aber Mallorca wird nicht so voll sein wie in einem normalen Sommer noch vor vier, fünf Jahren. Unter anderem, weil auch noch Gäste aus anderen Ländern fehlen.

Welche Corona-Regeln gelten bei Ihnen, wie geht TUI damit um?

Spanien hat bis vor kurzem mit Tests gearbeitet, von denen Deutsche zur Zeit ausgenommen sind. Bei der Einreise musste man einen negativen PCR-Test vorweisen, bei Rückreise ist weiterhin ein negativer Antigentest nötig. Dann gibt es Hygienekonzepte in den Hotels. An den niedrigen Infektionszahlen auf Mallorca haben wir gesehen, dass das sehr gut funktioniert hat. Die Pauschalreise war nachweislich nie Treiber des Pandemiegeschehens.

Wie bewerten Sie die Delta-Variante, die sich gerade ausbreitet?

Wir haben inzwischen ausreichend Erkenntnisse, dass die Delta-Variante zwar ansteckender, aber nicht gefährlicher ist als die anderen Varianten. Das gibt Hoffnung. Zudem schätze ich, dass wir Ende des Sommers sowieso besser mit neuen Varianten umgehen können, weil dann deutlich mehr Menschen geimpft sein werden. Die Quote liegt in Deutschland bereits bei mehr als 55 Prozent. Und Geimpfte und Genesene können ohnehin frei reisen. Grundsätzlich hat es sich bewährt auf die Tests bei Ein- und Ausreise zu setzen, als auf Quarantäne. Letztlich gibt dies uns allen mehr Sicherheit.

Der Fall Portugal…

…ist sehr ärgerlich. Erst hat Deutschland Portugal wegen der Delta-Variante zur Virusvariantenregion erklärt. Das bedeutet, dass Urlauber bei der Rückreise in Quarantäne müssen. Bevor die Regelung griff, haben wir die Gäste auf Wunsch zurückgeflogen. Eine Woche später macht die Delta-Variante in Deutschland gut der Hälfte aller Neuinfektionen aus.. Jetzt wurde Portugal wieder von der Variantenliste gestrichen wird. Das gesamte Verfahren ist ernüchternd für die Urlauber, die ihre Auszeit entsprechend unzufrieden abbrechen mussten.

Auch wenn gerade die Sommerferien Thema sind: Der ein oder andere denkt bereits über die Winterferien nach. Läuft das Geschäft schon an?

Die Deutschen planen den Urlaub gern frühzeitig. Deshalb buchen die ersten schon Ende Mai Reisen für den Winter. Entweder zum Skifahren oder in die Sonne. Wir bieten beides an. Wir sind der größte Skiveranstalter in Deutschland. Wer im Winter in die Sonne will, bucht die Kanaren und Fernreisen– Thailand, Karibik, Mauritius, Malediven oder die Kapverden, da bieten wir einen neuen Robinson Club.

Wer jetzt die Malediven für Januar bucht, weiß überhaupt nicht, wie dann dort die Lage angesichts der Corona-Unsicherheit tatsächlich ist.

Natürlich wissen sie das nicht, aber sie sichern sich als Frühbucher einen sehr guten Preis. Dann bekommen sie mit Flexoption die Möglichkeit, bis zu 14 Tage vor Anreise kostenlos zu stornieren oder umzubuchen. Und wir bieten eine Durchführungsgarantie mit allen Absicherungsvarianten, sollte Ihnen selbst etwas geschehen.

TUI übernimmt das Risiko komplett?

Das kann man so sagen.

Wie läuft das Wintergeschäft?

Wie diesen Sommer kommt es etwas später, ist aber schon relevant da.

Bei allen Garantien, die TUI bietet: Der Staat musste das Unternehmen 2020 retten, gerade hat TUI 200 Millionen Euro frisches Geld bei Investoren eingesammelt: Wie sicher ist es, bei TUI zu buchen? Gibt es die Firma im Herbst noch?

Selbstverständlich. Die Buchungszahlen der vergangenen Wochen zeigen, dass es wirtschaftlich wieder gut voran geht. Durch den Start des operativen Geschäfts in den meisten europäischen Märkten der TUI fließt wieder Geld ins Unternehmen. Die jüngsten Maßnahmen wie die beiden Wandelanleihen oder der Verkauf von Hotelimmobilien dienen daher vor allem dazu, die staatlichen Kreditlinien zu refinanzieren. Die erfolgreichen Transaktionen am Kapitalmarkt zeigen, dass die Investoren unserer Strategie und unserem Geschäftsmodell vertrauen.

Welche Trends sind auszumachen? 

Erstens: Die Kunden sind heute mit dem Urlaub zufriedener. Sie schätzen ihn mehr, weil sie länger nicht verreisen konnten – auch wenn die Reise die gleiche ist wie vor drei Jahren. Zweitens: Der Urlaub wird ruhiger. Weniger Herumreisen, mehr im Hotel bleiben. Und im Hotel: weniger Party, mehr Entspannen und Ruhe. Drittens: die Hygienemaßnahmen. Ich kann mir vorstellen, dass es einige davon länger geben wird, vielleicht sogar immer. Größere Abstände halten zum Beispiel.

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