Die disziplinierende Wirkung der Öffentlichkeit
Vorstandsgehälter in Aktiengesellschaften wollen Union und FDP drosseln, indem die Aktionäre mehr Einfluss erhalten
22. Mär. 2013 –
Schärfere Regelungen für die Bezahlung von Vorständen in Aktiengesellschaften haben Union und FDP beim Koalitionsausschuss beschlossen. Dies ist auch eine Reaktion auf die erfolgreiche Schweizer Volksabstimmung zur Beschränkung von Managergehältern. Seit Beginn der Finanzkrise 2007 wird in vielen Staaten über die teils exorbitanten Honorare gestritten. Welche Bedeutung hat der Schritt der Koalition, und wie könnte er wirken?
Union und FDP sind sich einig, dass die Hauptversammlungen, die Zusammenkünfte der Eigentümer von Aktiengesellschaften, stärkeren Einfluss erhalten sollen. Die Aktionäre müssen künftig jährlich und verbindlich darüber entscheiden, wieviel Geld die Vorstände insgesamt bekommen. Gegenstand des Beschlusses ist dabei das gesamte Vergütungspaket inklusive Festgehalt, Bonuszahlungen, Nebenleistungen wie Dienstwagen, Abfindungen und Sozialleistungen.
Bisher steht im Aktiengesetz nur eine unverbindliche Regelung. Die Eigentümer einer AG können darüber entscheiden, müssen es aber nicht tun. Zudem geht es nur um das „System“ der Vorstandsbezahlung, die genaue Gehaltshöhe braucht dabei keine Rolle zu spielen. Erst nachträglich, durch die Bilanzen der Aktiengesellschaften, erfährt die Öffentlichkeit, wieviel die Chefs im vergangenen Jahr tatsächlich verdient haben. Künftig wird die Honorierung vor der Auszahlung veröffentlicht.
Dies ist freilich die Lesart der Union. FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger muss jetzt genaue Formulierungen für das Aktiengesetz finden. Ob sie dabei versucht, die Regelung zu entschärfen, wird man sehen.
Wohlgemerkt: Um eine Begrenzung der maximalen Höhe von Vorstandsgehältern geht es der Koalition nicht. Dies findet die Regierung zu dirigistisch. Außerdem, so wird argumentiert, handele man damit der Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zuwider. Objektiv schwierig ist es auch, einen eindeutigen Maßstab für angemessene Vorstandsgehälter zu nennen.
Gleichwohl könnte die neue Bestimmung „eine disziplinierende Wirkung“ ausüben und hohe Vorstandsvergütungen senken, sagt Dorothea Schäfer, Ökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie weist daraufhin, dass „die Eigentümer ein Interesse daran haben sollten, die Gehälter zu deckeln.“ Schließlich gehe es um Geld, das letztlich ihnen gehöre. Zudem kann es sein, dass die breitere Schicht der Aktionäre empfänglicher ist für gesellschaftliche Debatten als die Manager im Aufsichtsrat, die bisher die Honorar-Entscheidungen oft alleine trafen.
Aber auch ein Gegenargument nennt Schäfer. In den Hauptversammlungen säßen sehr oft nicht Kleinaktionäre und normale Leute, sondern vornehmlich Manager als Vertreter von Großaktionären und Fondsgesellschaften. Diese hätten wenig Interesse, die AG-Vorstände finanziell einzuschränken, da die verordnete Bescheidenheit irgendwann auch sie selbst treffen könne. Als mögliche Lösung bietet Schäfer die Idee an, elektronische Abstimmungen einzuführen, damit mehr Aktionäre als heute an den Hauptversammlungen teilnähmen.
All das gefällt der oppositionellen SPD nicht. Joachim Poß, Fraktionsvize im Bundestag, plädiert dafür, wie bisher den Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften entscheiden zu lassen. Sein Argument: Dann könnten die Arbeitnehmervertreter mitentscheiden, und nicht nur die Kapitalvertreter. Dagegen spricht freilich, dass die Arbeitnehmervertreter in der Vergangenheit sehr hohe Managergehälter durchwinkten, um sich ihr gutes Verhältnis zu den Bossen nicht zu verscherzen.
Ferner möchte die SPD die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern einschränken. Die Logik dieses Vorschlages besteht darin, dass die Eigentümer dann einen größeren Teil der Honorare quasi aus eigener Tasche bezahlen, was mäßigend wirken soll. Außerdem fordern die Sozialdemokraten neuerdings auch, ein festes Verhältnis von Chef- und Beschäftigtengehältern zu bestimmen. Motto: Der Vorstandsvorsitzende soll nur zwanzigmal soviel verdienen wie ein Arbeiter. Ähnliches verlangt auch der Deutsche Gewerkschaftsbund. Wobei man wieder bei der Schwierigkeit ist, einen akzeptierten Maßstab zu finden. Warum zwanzigmal, nicht zehn- oder dreißigmal?