Die drei Lehren aus der Griechenlandkrise

Die Deutschen sollten sich trauen, höhere Löhne zu verlangen

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Von Hannes Koch

03. Mai. 2010 –

Für Arbeitnehmer in Deutschland liegt in der Griechenlandkrise eine positive Nachricht. Sie lautet: Es muss nicht schädlich sein, höhere Löhne zu erstreiten. Denn möglicherweise hat die langjährige deutsche Politik der geringen Lohnsteigerungen die Situation Griechenlands und anderer Euro-Staaten verschärft.


Die französische Finanz- und Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, Heiner Flassbeck, der Chefökonom der Welthandelskonferenz Unctad oder der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Adolf Horn vom Institut für Makroökonomie vertreten diese These mit Vehemenz. Ihre Argumentation: Die deutschen Reallöhne sind in den vergangenen Jahren nur wenig gestiegen. Dadurch wurden deutsche Produkte tendentiell billiger, die anderer Länder wie Griechenlands dagegen relativ teurer – sie lassen sich schlechter verkaufen. In dieser Sichtweise ist Griechenland an seiner gefährlich hohen Verschuldung nicht ausschließlich selbst schuld. Auch Deutschland trage eine gewisse Verantwortung, weil es die Preise einseitig zu seinen Gunsten gestaltet und griechische Exporte damit erschwert habe.


Was ist von dieser These zu halten? Grundsätzlich erscheint sie plausibel. Einerseits ist die Leistungsbilanz Griechenlands in den vergangenen Jahren konstant negativ. Das Mittelmeerland exportiert viel weniger, als es importiert – ein Hinweis auf die mangelnde Konkurrenzfähig der griechischen Wirtschaft. Bei Deutschland ist es umgekehrt. Die deutschen Exporte übersteigen die Importe deutlich. In welchem Maße dieses Missverhältnis allerdings mit den deutschen Löhnen zusammenhängt, lässt sich nur schwer beziffern.


Und was würde passieren, wenn die deutschen Gewerkschaften sich trauten, höhere Lohnforderungen zu stellen? Die hiesigen Arbeitnehmer hätten mehr Geld in der Tasche, würden mehr konsumieren, was zu mehr Arbeitsplätzen und höheren Steuereinnahmen des Bundesfinanzministers führte. Gleichzeitig würden griechische, portugiesische oder spanische Firmen dank relativ sinkender Löhne mehr exportieren, die dortigen Staatsschulden nähmen tendentiell ab.


Demgegenüber darf man aber auch negative Folgen für Deutschland nicht ignorieren: Die zunehmende Inflation könnte die hiesige Lohnsteigerung teilweise auffressen, und Exportunternehmen schafften weniger neue Jobs, weil ihre Konkurrenzfähigkeit litte. Unter dem Strich könnte die Politik der höheren Löhne zwar Vorteile haben, erfordert aber viel ökonomisches Fingerspitzengefühl.


Die zweite Lehre aus der Krise heißt: Sie ist noch nicht vorbei. Um das Übergreifen auf Portugal, Spanien, Italien und Irland zu verhindern, fordert das britische Wirtschaftsmagazin Economist gemeinsame europäische Kreditlinien für schwache Staaten. Diese Lösung würde bedeuten, dass die Euro-Gruppe sich nicht mit dem Kreditpaket für Griechenland begnügt, sondern einen Rettungsfonds mit mehreren hundert Milliarden Euro einrichtet - ähnlich dem deutschen Bankenrettungsfonds Soffin. Nur ein solcher Fonds, argumentiert der Economist, werde den Investoren auf den internationalen Finanzmärkten den politischen Willen demonstrieren, keinen Staat pleitegehen zu lassen, und ihnen damit die Lust an der weiteren Spekulation gegen Regierungen nehmen.


Womit wir bei der dritten Lehre wären: Trotz hoher Staatsschulden werden möglicherweise noch viele Kredite hinzukommen – auch in Deutschland. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass die Bundesregierung den Wünschen der FDP und CSU nach einer schnellen, umfangreichen Steuersenkung nachkommen kann. Auch dies ist – genau genommen – keine schlechte Nachricht für die Beschäftigten und Bürger: Denn Steuerausfälle würde die Regierung an anderer Stelle sowieso wieder hereinholen – ein Nullsummenspiel für die Steuerzahler. Eine Bundesregierung, die sich Sorgen um die halbe Euro-Gruppe machen muss, kann sinkende Staatseinnahmen schlicht nicht verkraften.

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