Die Entschleunigung des Kapitalismus

Slow Finance – oder wie es nach der Finanzkrise weitergeht

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Von Hannes Koch

22. Sep. 2008 –

Mit einer Geschwindigkeit von 90 Kilometern pro Stunde ist man auf einer Landstraße meist sicher unterwegs. Wer dagegen 180 fährt, fliegt aus der Kurve oder rast gegen den Baum.

 

Diese simple Erkenntnis haben die Finanzbranche und besonders die Investmentbanken in den vergangenen Jahren ignoriert. Die reale Weltwirtschaft, die Rinder und Mobiltelefone produziert, Haarschnitte und Steuerberatung liefert, wuchs um fünf Prozent pro Jahr. Das hinderte die Herren der transnationalen Banken nicht daran, Eigenkapitalrenditen von 25 bis 30 Prozent anzustreben. Derartige Finanzgewinne aber, die über das Wachstum der realen Wirtschaft weit hinausgehen, lassen sich nur ausnahmsweise erzielen. Wer versucht, die Turbogewinne zu verstetigen, muss Tricks erfinden – beispielsweise wertlose Immobiliendarlehen verbriefen und verkaufen.

 

Mit Morgan Stanley und Goldman Sachs sind jetzt die beiden letzten Investmentbanken der New Yorker Wallstreet den Weg alles Irdischen gegangen. Nach dem Verkauf von Bear Stearns und Merrill Lynch, sowie dem Konkurs von Lehman Brothers ist das Modell der reinen Investmentbank und ihrer horrenden Gewinnerwartungen tot. Damit geht auch die Ära des Neoliberalismus zu Ende, eines Wirtschaftsmodells, das sich durch Deregulierung und Abkopplung von der Realwirtschaft auszeichnet.

 

Was jetzt folgt, ist eine Phase des entschleunigten Kapitalismus – Slow Finance. Das hat zwei Gründe: Einerseits werden neue staatliche Regulierungen die Profite schmälern, andererseits fehlt vorläufig schlicht das Kapital für Superrenditen. Doch seien wir skeptisch: Gier und Geschwindigkeitsrausch wird es immer geben. Dagegen ist selbst mit Finanzgesetzen und Radarfallen nichts auszurichten. Tritt auch einstweilen etwas Ruhe ein – die nächste Finanzkrise kommt bestimmt.

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