Die Furcht vor dem leeren Öko-Regal

Nach Schmu mit dem EU-Biosiegel will die Brüsseler Kommission strengere Regeln. Branche rebelliert.

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Von Hanna Gersmann

12. Mai. 2014 –

Die Fälscherbande flog Ende des Jahres 2011 in Italien auf: Sie soll etwa 700.000 Tonnen konventionelle Lebensmittel auf Bio getrimmt und europaweit verkauft haben, auch nach Deutschland. Steckt in der Bio-Tomate oder Bio-Ei, was drauf steht? Verbraucher sind nach einer Reihe von Betrugsfällen verunsichert. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos verspricht, ihr Vertrauen zurückzuerobern – und will die Vorgaben und Kontrollen für Lebensmittel mit dem EU-Biosiegel strenger machen. Das ist das grüne Logo, auf dem zwölf weiße Sterne ein Laubblatt formen. Nur: Ciolos versetzt die Biobranche in Aufruhr.

Am Montag hat der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft, BÖLW, die Bundesregierung aufgefordert, Ciolos Vorhaben zu kippen. Das kommt nicht oft vor. Liegt ein Verordnungsentwurf auf dem Tisch, versuchen Lobbyisten sonst so viele Änderungen wie möglich durchzusetzen. Dem Spitzenverband der Erzeuger, Verarbeiter und Händler von Bioprodukten in Deutschland reicht das diesmal nicht. Sie halten für „untauglich“, was Ciolos ein „Refokussierung der Bioproduktion auf ihre Prinzipien" nennt.

Zum Beispiel die Kontrollen: Wer in seinem Imbiss, seiner Tankstelle, seinem Schulkiosk auch Bio-Limo oder Öko-Müsliriegel verkauft, müsste sich künftig von einer Öko-Kontrollstelle überprüfen lassen. Das bedeutet eine Menge Papierkram, es kostet Zeit und Geld. Das mache doch niemand mit, meint der BÖLW-Vositzende Felix Prinz zu Löwenstein.

Weiteres Problem: Ökowinzer kaufen junge Pflanzen aus herkömmlichen Baumschulen, um spezielle Rebsorten ernten zu können. Die Öko-Züchtung ist kompliziert, sie muss auch bei anderen Pflanzen, etwa Himbeeren, noch besser erforscht werden. Künftig soll es Bioerzeugern jedoch untersagt werden, konventionelles Saat- und Pflanzgut zu verwenden. Mancher Wein, manches Obst, so sagt Löwenstein, könne es dann nicht mehr in Öko geben.

Auch beim Eiweißfutter, das in die Tröge von Schweinen und Geflügel kommt, gibt es eine Öko-Lücke. Bisher durften darum fünf Prozent aus nicht biologischen Anbau stammen. Künftig muss alles ökologisch hergestellt sein. Das sei nicht machbar, sagen die Branchenvertreter. Die Tiere aber würden „krank“, bekämen sie nicht genug Proteine.

Zu schaffen macht der Branche aber vor allem eins: Öko-Produzenten sollen künftig garantieren, dass der Anteil an Ackergiften in ihrer Ware nicht höher ist als bei Baby-Nahrungsmitteln. Die Biolandwirte nutzen selbst keine chemisch-synthetischen Pestizide. Geht alles mit rechten Dingen zu, stammen Rückstände nicht aus der eigenen Produktion, sondern sind eher von Nachbarfeldern rüber geweht. Die Biobauern sagen, sie arbeiteten eben nicht unter der Glasglocke.

Wer die reine Lehre fordere, schaffe Leere – im Ökosupermarkt. Das ist die Botschaft der Biobranche in Kürze. Das Bundesagrarministerium, so hieß es gestern, habe dies verstanden. Bevor die Reform der Ökoverordnung in Kraft treten kann, muss sie im EU-Parlament und im Rat der Mitgliedstaaten eine Zustimmung bekommen.

Kasten: Bio-Markt
Die Nachfrage nach Bio-Produkten wächst. Laut EU-Kommission vervierfachte sich der Markt für Öko-Erzeugnisse in den vergangenen zehn Jahren. Die landwirtschaftliche Fläche verdoppelt sich aber nur. In Deutschland vergrößerte sich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Felder 2012 noch um 0,1 Punkte auf 6,2 Prozent der gesamten Ackerfläche. In den Geschäften legte der bundesweite Umsatz mit Bio-Lebensmitteln dagegen 2013 um 7,2 Prozent auf mehr als 7,5 Milliarden Euro zu.

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