Die ganz große Koalition des Sparens

SPD und Grüne unterstützen CDU-Finanzminister Schäuble darin, die Neuverschuldung zu senken. Allerdings kritisiert die Opposition die unsoziale Zusammensetzung des Sparpakets, über das heute das Bundeskabinett entscheidet

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Von Hannes Koch

31. Aug. 2010 –

Selten einig präsentiert sich der Bundestag angesichts der hohen Staatsverschuldung. Nicht einmal die sozialdemokratische und grüne Opposition stellt die elf Milliarden Euro grundsätzlich in Frage, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem Sparpaket im kommenden Jahr erwirtschaften will.


Heute (1.9.) beschließt das Bundeskabinett den Sparkatalog, der 2011 unter anderem Kürzungen bei den Arbeitslosen von 4,3 Milliarden Euro, eine neue Flugticket-Abgabe und die Brennelementesteuer für die Atomindustrie enthält (siehe Kasten). Bis zur letzten Minute feilte die Regierung am Dienstag an ihrem Vorhaben. Uneinigkeit mit Wirtschaftsverbänden bestand nicht zuletzt darüber, welche Unternehmen künftig mehr Ökosteuer bezahlen sollen. Schäuble erhofft sich davon eine Mehreinnahme von einer Milliarde in 2011.


Das Volumen des Sparpakets finden nicht nur die Haushaltspolitiker der Union und FDP, sondern auch die der SPD und der Grünen völlig in Ordnung. Auseinandersetzungen gibt es allerdings darüber, welches die richtigen Mittel sind. SPD-Fraktionschef Joachim Poß beklagte die „soziale Schieflage“, und Grünen-Haushälter Alexander Bonde forderte, „die Schwächsten der Gesellschaft nicht so stark zu belasten“.


SPD, Grüne und Linke kritisieren vor allem die geplanten Kürzungen in der sozialen Sicherung. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will unter anderem den Zuschuss zur Rentenversicherung für Hartz-IV-Empfänger streichen, was eine Ausgabenminderung um 1,8 Milliarden Euro bringen soll. Die Folge: Die spätere Rentenzahlung an Personen, die längere Zeit arbeitslos waren, sinkt. Altersarmut wird zunehmen. Das Elterngeld für Bezieher von Arbeitslosengeld II soll ebenso fallen, wie diverse Bildungs- und Fördermaßnahmen für Erwerbslose – Einspareffekt: rund 2,2 Milliarden in 2011.


SPD und Grüne fordern, auf diese Einschnitte zu verzichten und stattdessen die wohlhabenderen Bürger zur Kasse zu bitten. Beide Parteien plädieren dafür, den Einkommenssteuersatz für Spitzenverdiener von heute 42 Prozent um einige Prozent anzuheben. Nach Ansicht der Grünen ließen sich außerdem viele Milliarden Euro beschaffen, wenn umweltschädliche Subventionen und Förderprogramme für Unternehmen im Haushalt des Wirtschaftsministeriums gestrichen würden.


Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte die neue Kernbrennstoffsteuer, den Abbau der Ausnahmen bei der Ökosteuer und die zusätzliche Abgabe auf Flugtickets. Dies seien die richtigen Schritte, um den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid zu belasten und die Wirtschaft in eine ökologische Richtung zu führen, sagte BUND-Chef Hubert Weiger. Künftig soll die Flugsteuer nach Ansicht des BUND-Vorsitzenden weiter angehoben werden.


Obwohl sich die Wirtschaft schnell erholt und die Einnahmen des Staates steigen, will Schäuble auf die im Sparpaket enthaltenen Einnahmeverbesserungen und Sparmaßnahmen unter keinen Umständen verzichten. Neue Schulden im Bundeshaushalt von 60 Milliarden (2010) und rund 50 Milliarden in 2011 seien eine gigantische Bürde für den Staat, heißt es im Finanzministerium. Bis 2016 soll die Neuverschuldung auf rund zehn Milliarden sinken, damit der Bund das Verfassungsgebot der Schuldenbremse einhält.


Kasten

Das Sparpaket

Die gesetzlichen Sparmaßnahmen im Bundeshalt, die das Kabinett am Mittwoch beschließt, umfassen rund sechs Milliarden Euro. Hinzu kommen weitere Kürzungen, für die man keine gesetzliche Grundlage braucht, (etwa die Verschiebung des Schlossneubaus in Berlin) in Höhe von fünf Milliarden. Die Beratung in Bundestag und Bundesrat beginnt Mitte September.


4,3 Milliarden Euro in 2011 will die Regierung bei den Arbeitslosen sparen. Förderprogramme werden gekürzt (zwei Milliarden), Rentenzuschüsse für Erwerbslose gestrichen (1,8 Milliarden), das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger fällt weg.


Auch Unternehmen werden zusätzlich belastet. Sie müssen eine höhere Ökosteuer zahlen (eine Milliarde) und den Brennstoff der Atomkraftwerke versteuern (2,3 Milliarden). Nach längerer Debatte wird das Kabinett die Atomsteuer „zustimmend zur Kenntnis nehmen“.


Flugtickets will die Regierung mit einer „ökologischen Luftverkehrsabgabe“ belasten. Diese wird für innereuropäische Flüge wohl acht Euro, über 2.000 Kilometer Flugstrecke 25 Euro und ab 6.000 Kilometer 45 Euro betragen.


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