Die große Vertrauenskrise

Welche Folgen der teilweise Bankrott der USA für die Weltwirtschaft hätte

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Von Hannes Koch

16. Okt. 2013 –

Was für die Weltwirtschaft auf dem Spiel steht, deutet die Erklärung der Ratingagentur Fitch an. Die Finanzexperten warnen die US-Regierung, ihr die bisherige Spitzennote für die Bonität von US-Staatsanleihen zu entziehen – falls es wirklich zum teilweisen Staatsbankrott kommt. Damit zeichnet sich am Horizont das Schreckensbild eines gigantischen Vertrauensverlust ab, der die Weltwirtschaft zermürben könnte.

 

„Das Phänomen der Unsicherheit stellt die wichtigste Gefahr dar“, sagt Ökonom Gustav Adolf Horn vom Institut für Makroökonomie (IMK). Dieses Virus könnte sich über eine ökonomische Ansteckungskette in alle Welt verbreiten.

 

Sollte es den USA vorläufig tatsächlich nicht gelingen, die Schuldenobergrenze anzuheben, stünde bald in Frage, ob die Regierung die Zinsen für die ausstehenden US-Staatsanleihen noch bezahlen kann. Auch wegen der Herabstufung der Bonität durch die Ratingagenturen sinkt dann der Preis der Papiere mit dem Effekt, dass die globalen Investmentfirmen sie zumindest teilweise verkaufen. Dann muss die US-Regierung den Investoren höhere Zinsen bieten, damit diese überhaupt noch Anleihen erwerben. Das könnte die Zinsen weltweit in die Höhe treiben – auch für Staatsanleihen Europas, Chinas, Brasiliens und anderer Staaten, sagt Christian Dreger vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

 

Dreger legt Wert auf die Feststellung, dass er die Zahlungsunfähigkeit der USA für einen „sehr unwahrscheinlichen Fall“ hält – Demokraten und Republikaner würden sich schon noch einigen. Theoretisch aber könnten die weltwirtschaftlichen Folgen einschneidend sein.

 

Denn höhere Zinsen erschweren beispielsweise die Lösung der europäischen Schuldenkrise. Die Schuldenlast von Staaten wie Griechenland, Spanien und Portugal steigt weiter, anstatt zu sinken. Auch Deutschland muss mehr Geld für seine Schulden ausgeben.

 

Höhere Zinsen bedeuten aber auch, dass Bankkredite und damit Investitionen von Unternehmen teurer werden. Das wirkt sich nachteilig auf die Konjunktur aus. Weniger Arbeitsplätze entstehen, oder es fallen sogar welche weg.

 

Der Vertrauensverlust kann sich in einem weiteren Mechanismus bemerkbar machen. Die bisher wertbeständigen US-Staatsanleihen dienen ja vielen Banken, um gegenseitige Geschäfte abzusichern. Fast alle Institute haben diese Papiere in ihren Bilanzen. Verfällt nun deren Wert, trauen die Banken einander nicht mehr über den Weg – und werden vorsichtig beim gegenseitigen Geldverleihen. Das führt ebenfalls dazu, dass Unternehmen nur noch schwer an Kredite kommen.

 

Die Folgen spürte unter anderem Europa. Ohnehin steckt die Wirtschaft des Euro-Gebietes in der Rezession. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds schrumpft die europäische Wirtschaftsleistung 2013. Dieser Prozess dürfte stärker ausfallen, wenn schlechte Nachrichten aus den USA hinzukommen. Auch China hätte dann mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen. Dort wächst die Wirtschaft zwar, aber das Tempo geht zurück. Die Folge: Die autoritäre Regierung in Peking hat weniger Geld zur Verfügung, um die Wünsche der Bevölkerung zu erfüllen und Kritiker zu besänftigen.

 

Neben den Auswirkungen des Vertrauensverlustes spielen aber auch die realwirtschaftlichen Folgen eine Rolle. Angel Gurria, der Generalsekretär der Industrieländer-Organisation OECD, befürchtet, dass alleine die niedrigere Nachfrage der US-Regierung die US-Wirtschaftsleistung um vier Prozentpunkte drückt. Beispielsweise erhalten hunderttausende Staatsbedienstete keine Gehälter, Bauaufträge für Straßen und Brücken werden nicht erteilt.

 

Weil das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA etwa ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung ausmacht, schlägt der Nachfragerückgang weltweit durch. Auch Firmen in den Europa, Asien und Südamerika erleiden Einbußen, wenn in Nordamerika weniger gekauft wird. Der Verlust ist abhängig von der zeitlichen Länge der US-Blockade, könnte aber hunderte Milliarden betragen.

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