Die Kanzlerin braucht Ideen

Im Internet machen Bürger der Regierung Vorschläge für eine bessere Zukunft / 200 Forderungen kamen schnell zusammen

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Von Wolfgang Mulke

01. Feb. 2012 –

Die Bürger sollen der Bundesregierung im Internet auf die Sprünge helfen. „Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken“, fordert Kanzlerin Angela Merkel die Besucher ihres neuen Internetportals Zukunftsdialog auf. Am Mittwoch ging die Webseite an den Start. Schon nach wenigen Stunden kamen mehr als 200 Vorschläge zusammen, wie der Chef vom Dienst im Bundespresseamt angab. Mehr als die Hälfte davon fand bei der Sichtung schnell die Gnade der Kontrolleure und wurde veröffentlicht.

Die Wunschliste der Wähler ist lang. Gefordert wird zum Beispiel „die Ächtung von Lobbyarbeit als Korruption“, wobei der Ideengeber vor allem an die Mineralölkonzerne und Wirtschaftsverbände denkt. „Lediglich der Bürger hat keine Lobbyvereinigung“, bedauert er in der Begründung seines Vorschlags. Doch schon der erste Kommentar dazu von anderen Besuchern der Plattform zeigte, dass Politik doch ein komplexes Geschäft sein kann, in dem auf die Lobbyarbeit von Umweltverbänden und Entwicklungshilfeorganisationen verwiesen wurde. Immerhin 55 Stimmen konnte der Vorschlag bis zum frühen Nachmittag sammeln. Damit lag er im oberen Mittelfeld.

Da haben sich die Kommunikationsexperten des Kanzleramts ein pfiffiges System ausgedacht. Jeder kann Vorschläge per E-Mail einreichen. Wenn sie den Regeln entsprechen, werde sie veröffentlicht. Zu diesen Benimmklauseln gehört beispielsweise, dass niemand beschimpft wird und dass die Beiträge zum Thema passen. Sind die Vorgaben erfüllt, geben die Prüfer die Texte frei. Alle anderen können die Ideen öffentlich kommentieren und, wenn sie derselben Meinung sind, eine virtuelle Stimme dazu abgeben. Die Stimmenzahl zeigt an, wo den Menschen der Schuh drückt.

Nun ist die Kanzlerin durchaus nicht an den Meinungen zu allen brisanten Themen interessiert. Militäreinsätze oder die Eurokrise können allenfalls sehr indirekt den vorgegebenen Themenfeldern zugeordnet werden. Wie wollen wir zusammenleben, wovon wollen wir leben und wie wollen wir lernen? Das sind die drei Felder, zu denen jeder seine Zukunftsvorstellungen einbringen darf. Erstaunlicherweise war zum Start das Thema Bildung am wenigsten gefragt. Unter den rund 30 Ideen dazu konnten nur zwei kräftig Zustimmung erheischen. Beide sprachen sich für ein bundeseinheitliches Schulsystem aus. Diesen Wunsch wird weder die gegenwärtige Regierungschefin, noch werden ihn künftige Kanzler erfüllen können. Das ist Sache der Länder.

Ansonsten finden viele bekannte Vorschläge viele Anhänger. Mehr direkte Demokratie soll gewagt und ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt werden. Vorgeschlagen wird, dass sich Arbeit wieder lohnen und die deutsche Identität gestärkt werden muss. Aber auch für eine Deckelung der Kraftstoffpreise halten viele neue Kanzlerberater für wünschenswert.

Bis zum 15. April können die Internetnutzer ihre Ideen aufschreiben, die Anderer kommentieren oder unterstützen. Die Autoren der zehn populärsten Forderungen werden im September ins Kanzleramt eingeladen. Dort will sich Merkel dann der Diskussion stellen. „Gute Politik habe immer auf der Intelligenz und Lebenserfahrung der Bürger aufgebaut, sagt die Kanzlerin.

Zu finden ist das Portal unter der Internetadresse www.dialog-ueber-deutschland.de .

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