Die Renaissance der Vermögensteuer

SPD-Chef Gabriel: nur für Millionäre. Juso-Chefin Drohsel: weiter ausdehnen. Ökonom Bach: Vorsicht vor Kapitalflucht

Teilen!

Von Hannes Koch

16. Nov. 2009 –

Etwa 100 Bundesbürger besitzen mehr als eine Milliarde Euro Vermögen. Ungefähr 950.000 Haushalte in Deutschland verfügen über mindestens eine Million Euro. Und immerhin drei Millionen Haushalte, in denen rund 7,5 Millionen Personen leben, freuen sich über angesammeltes Kapital von mehr als 500.000 Euro.


Um diese Bevölkerungsgruppe geht es, wenn Politiker – wie die SPD bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende in Dresden – über eine neue Steuer auf Vermögen reden. Der neue SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hält eigentlich nicht viel von der Idee. Weil die Jungsozialisten in dieser Frage aber die Mehrheit des Parteitages hinter sich hatten, steht nun im Leitantrag: „Unser Steuerkonzept wird Vermögende, unter anderem durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer, stärker in die Verantwortung für das Gemeinwohl nehmen“.


Was das genau heißen könnte, weiß die SPD noch nicht genau. Gabriel plädierte beim Parteitag dafür, nur die Millionäre heranzuziehen. Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel kann sich dagegen vorstellen, den Kreis der Steuerpflichtigen weiter auszudehnen. Neben der SPD sprechen sich auch Grüne und Linke für die höhere steuerliche Belastung von Vermögen aus.


Attraktiv wäre es allemal, eine Vermögensteuer einzuführen. Der wichtigste Grund: Theoretisch lassen sich nennenswerte Einnahmen erzielen. Stefan Bach, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), rechnet mit Erträgen von „16 bis 21 Milliarden Euro“ pro Jahr, wenn Vermögen über 500.000 Euro mit einem Prozent belastet würden. In Deutschland summieren sich private Schätze dieser Größenordnung auf rund zwei Billionen Euro.


Auch eine Rechtfertigung für diesen Schritt gäbe es. Hat doch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) Deutschland geraten, den Anteil vermögensbezogener Steuern zu erhöhen. Denn hierzulande liegen sie bisher nur bei knapp einem Prozent der Wirtschaftsleistung. In Ländern wie Luxemburg, Frankreich, Spanien und USA sind es drei, in Großbritannien sogar über vier Prozent.


Ökonom Bach sieht allerdings auch Probleme: „Hohe Steuersätze lösen Ausweichreaktionen aus“ - sprich: Steuerhinterziehung und Kapitalflucht. Individuell mag mancher Vermögende dafür auch eine Begründung parat haben. Ein Beispiel: Wer eine Million besitzt, erzielt zur Zeit vielleicht eine Kapitalrendite von vier Prozent jährlich oder 40.000 Euro. Die Steuer von einem Prozent des Vermögens würde die Verzinsung um 10.000 Euro reduzieren. Hinzu käme noch die Abgeltungsteuer, die ohnehin 10.000 Euro ausmacht. Der Steuerpflichtige müsste also die Hälfte seiner Kapitalerträge an den Staat abführen.


Einen Steuersatz von 50 Prozent aber hielt der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof für das Äußerste des Zumutbaren. Mit seinem Halbteilungsgrundsatz legte das Gericht 1995 fest, dass jeder Steuerbürger die Hälfte seines Einkommens behalten dürfe. Die aktuelle Relevanz dieses Grundsatzes ist unter Juristen und Politikern freilich umstritten. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat ihn teilweise in Frage gestellt.


Bestimmte Nachteile gibt es allerdings bei jeder Steuer. Einerseits stellt Ökonom Bach fest, dass viele andere Staaten besonders hohe Einnahmen mit der Grundsteuer erzielen. In Deutschland kommt auch dabei wenig herein, weil die Grundstücke noch auf Basis alter Berechnungen aus den 1960er, zum Teil sogar den 1930er Jahren bewertet werden. Hier wäre also Spielraum, um ein paar Milliarden Euro loszueisen. Andererseits trifft die Grundsteuer nicht nur die Immobilienbesitzer. Diese neigen dazu, ihre höheren Kosten an die Mieter und Durchschnittsverdiener durchzureichen.


Wenn man die Vermögen- und Grundsteuer für zu problematisch und umstritten hält - was kann man dann tun, um Vermögen stärker zu besteuern? DIW-Forscher Stefan Bach plädiert dafür, die niedrige Abgeltungssteuer für Kapitalerträge (25 Prozent) wieder auf das höhere Niveau der Einkommensteuer anzuheben (bis zu 45 Prozent). Tatsächlich ist es sehr schwer zu begründen, warum Kapital neuerdings niedriger besteuert wird als Arbeit.

« Zurück | Nachrichten »