Die Rente bleibt ein Sorgenkind

Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft (Teil 3): Es fehlen genaue Kenntnisse über die Einnahmen der nächsten Rentnergeneration

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Von Wolfgang Mulke

04. Jan. 2010 –

Als Chef der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ist Herbert Rische ein gefragter Experte. Doch ob die Altersvorsorge insgesamt künftige Generationen gut versorgen kann, weiß nicht einmal der oberste Hüter der gesetzlichen Rente. Über die anderen Versorgungssysteme habe die DRV keine Informationen, räumt Rische ein. Die Sorgen der Bevölkerung kennt Rische natürlich bestens. Die Angst vor Altersarmut geht um, und bei den gut Situierten die Sorge, dass  der Lebensstandard später nicht annähernd gehalten werden kann.

 

Dabei sind die Aussichten für viele Beschäftigte und Selbständige gar nicht schlecht, wenn sie sich rechtzeitig auf die Umstände einrichten und die eigene Verantwortung wahrnehmen statt die Augen vor dem zeitlich oft noch weit entfernten Problem zu verschließen. Aber auch die Politik muss gegen die drohende Armut rasch handeln. Doch nicht nur Rische ist fest überzeugt, dass das Schlimmste mit einer richtigen Weichenstellung verhindert werden kann.

 

Die gesetzliche Rente ist nicht mehr die allein tragende Säule der Altersversorgung. Die geförderte Riester-Rente und die betriebliche Altersvorsorge gewinnen an Bedeutung und die Menschen müssen länger arbeiten. In der Theorie hört sich das Drei-Säulen-Modell gut an. Die Statistiker des Bundes sagen voraus, dass der Neurentner des Jahres 2050 je nach Familienstand und Einkommen über rund 70 bis 75 Prozent seines letzten Nettolohnes verfügen kann.

 

Doch die offiziellen Prognosen haben einen gewaltigen Haken. Der Bamberger Professor Andreas Oehler hat die Grundannahmen der jeweiligen Bundesregierungen ab 1970 mit der Wirklichkeit verglichen. In der Regel fielen die Vorhersagen über die wirtschaftlichen Daten deutlich zu optimistisch aus. „Es liegt eindeutig im Interesse der Bundesregierung, die Stabilität des Rentensystems so gut wie möglich darzustellen“, rät der Forscher zum vorsichtigen Umgang mit den offiziellen Angaben.

 

Das gilt auch für die Berechnung des künftigen Rentenniveaus. Der günstige Wert der Bundesregierung kommt nur durch eine trickreiche Rechnung zustande. Zur gesetzlichen Rente addiert das Arbeitsministerium die Erträge aus der Riester-Rente und geht zudem von einer weiteren Privatrente aus. Die Beiträge dafür sollen die heutigen Arbeitnehmer aus der Steuerersparnis bezahlen, die mit der stufenweisen Umstellung auf die nachgelagerten Besteuerung resultieren. Das weiß und versteht nur niemand. Und für die Riester-Rente hat sich bislang auch nur jeder dritte Berechtigte entschieden. All das legt den Verdacht nahe, dass die Zukunft weitaus nicht so sicher sein wird, wie es die staatlichen Vorhersagen weiß machen wollen.

 

Das Beispiel einer Familie verdeutlicht die tatsächliche Entwicklung. Die heute 87-jährige Mutter kann fast 1.700 Euro monatlich ausgeben. Dafür sorgen die Witwenrente, eine kleine eigene Rente und die Betriebsrente ihres verstorbenen Gatten. Der knapp 50-jährige Sohn wird nach 42 Beitragsjahren gerade noch 768 Euro gesetzliche Rente erhalten und dazu 144 Euro Riester-Rente. Zusammen mit einer privaten Rentenversicherung kann er gerade auf 1200 Euro hoffen. Das Beispiel ist natürlich nicht repräsentativ, aber der Trend wird deutlich. Selbst Durchschnittsverdiener müssen für ein auskömmliches Alterseinkommen erhebliche Eigenanstrengungen unternehmen.

 

Die große Herausforderung heißt Altersarmut. Bisher ist das Problem weitgehend unbekannt. Nicht einmal drei Prozent der Rentner sind auf die Grundsicherung angewiesen. „Die Ausbreitung von Hungerlöhnen und die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit reißen Löcher in die Altersvorsorge von Millionen von Betroffenen“, warnt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Viele Arbeitnehmer erwerben deshalb nur geringe Rentenansprüche und ihnen fehlt überdies das Geld für eine zusätzliche private Vorsorge. Oehler hält es für skandalös, dass es bisher keine Erfassung der tatsächlich zu erwartenden Altersversorgung gibt. Denn erst damit ließe sich der Handlungsbedarf erkennen. Die amtierende Koalition weiß offenkundig um die Probleme, denn sie will in den nächsten Jahren sicherstellen, dass jeder, der sein Leben lang Vollzeit gearbeitet hat, eine Rente oberhalb der Grundsicherung bekommt. Wie das geschehen soll, ist freilich noch offen.

 

Der DGB hat Vorstellungen, wie das Problem gelöst werden kann. Auch Selbständige, Beamte und Politiker sollen Beiträge bezahlen, die Rentenerhöhungen voll gewährt und Mindestlöhne eingeführt werden. Auch wollen die Gewerkschaften Zeiten der Arbeitslosigkeit oder geringer Verdienste besser berücksichtigen. „Das alles zusammen verringert das Armutsrisiko deutlich“, sagt Buntenbach.

 

Sicher erscheint aus heutiger Sicht ausgerechnet die so lange umstrittene gesetzliche Rente. Nur wird es sie nie wieder in gewohnter Höhe geben. Auch die Mehrheit der künftigen Rentner wird ein vergleichsweise wohlhabendes Leben führen. Für eine wachsende Zahl von Arbeitnehmern wird die Aussicht auf das Rentenalter allerdings schaurig, wenn alles so bleibt wie es jetzt ist.

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