Die russischen Banken gehen nicht in die Knie
Die westlichen Sanktionen bereiten den Instituten Probleme, aber vorläufig haben sie genug Geld
14. Mai. 2014 –
Von einem Tag auf den anderen konnten Kunden der Rossiya-Bank und einiger weiterer russischer Finanzinistitute nicht mehr mit ihren Visa- und Master-Karten bezahlen. Diese im März von der US-Regierung verhängten Sanktionen treffen den gesamten Finanzsektor Russlands. Kapital fließt ins Ausland ab, die Kreditkosten der Banken steigen. So stellt sich die Frage: Wie lange halten die Institute das durch? Und können die westlichen Sanktionen deshalb Kompromissbereitschaft der russischen Seite in der Ukraine-Krise erzwingen?
Denn möglicherweise bleibt es nicht bei den bisher verhängten Beschränkungen für den Geld- und Kapitalverkehr. Weitere Sanktionen sind angekündigt. Und bereits jetzt können manche Angehörige der russischen Elite nicht mehr über ihre Westkonten verfügen, weil diese eingefroren wurden. Solche Probleme bringen nicht nur Nachteile für die betroffenen Institute, sondern das gesamte russische Finanzsystem mit sich.
„Natürlich machen die Sanktionen das Geschäft der russischen Banken schwieriger“, sagt Dmitrij Tichonov, Analyst der Commerzbank in London. In einer gemeinsamen Studie mit seinem Kollegen Apostolos Bantis schreibt Tichonov allerdings auch, dass die Wirtschaftsstrafen wohl „keinen bedeutenden Einfluss auf die internationalen Geschäfte der russischen Banken haben“. Unter der Voraussetzung, dass es nicht zu viel härteren Beschränkungen komme, sei das Finanzsystem stabil.
Wie ist die Lage der Institute in St. Petersburg und Moskau? Sie leiden darunter, dass Standard&Poor's, eine der marktbeherrschenden Rating-Agenturen, die Bonität russischer Staatsanleihen herabgestuft hat. Investoren werden damit gewarnt, dass die Kapitalanlage in Staatspapiere risikoreicher geworden sei. Außerdem sank im Zuge der Krise der Wert des Rubel, worauf die Russische Zentralbank den Leitzins erhöhte, um Investoren zu ködern. Für die Banken heißt das: Auch sie müssen für Kredite mehr Geld bezahlen, ihre Gewinne gehen zurück.
Wegen der schlechteren Bonität der Staatspapiere geraten außerdem auch die Ratings der Banken selbst unter Druck. Diese haben dann ebenfalls höhere Kosten, wenn sie sich beispielsweise bei deutschen, britischen oder französischen Instituten Kapital borgen. Der nachteilige Effekt mache sich allerdings nicht so stark bemerkbar, schreiben die Commerzbank-Analysten, weil nur 14 Prozent der Verbindlichkeiten der Institute in Auslandsschulden bestünden. Die Höhe der Verschuldung gegenüber dem Ausland sei im Übrigen seit der Finanzkrise 2009 erheblich gesunken. Deshalb „erscheint das Gefahrenpotenzial beherrschbar.“ Die Rating-Agentur Moody's sieht das ähnlich. So müssten die russischen Institute 2014 höchstens Papiere im Wert von 14 Milliarden Euro umschulden. Das betreffe maximal zwei Prozent ihrer Gesamtverschuldung und sollte trotz höherer Kosten kein Problem darstellen, so Moody's.
Zwei weitere Argumente nennen die Analysten, um die aus ihrer Sicht gegenwärtig solide Lage der Institute zu untermauern. „Die größten Banken haben einen ausreichenden Zugriff auf Mittel der Russischen Zentralbank“, sagt Tichonov. Aus ihren Devisenreserven von gegenwärtig umgerechnet etwa 300 Milliarden Euro könne die Notenbank den Instituten helfen, wenn diesen einige Milliarden fehlen sollten. Zweitens verfügten die Geschäftsbanken über ein solides Polster von Eigenkapital. Schätzungen der Commerzbank zufolge liegt diese Größe bei den wichtigsten Banken um 15 Prozent aller Kapitalanlagen – und damit weit über den acht Prozent, die das internationale Bankenabkommen Basel III vorschreibt.
Deshalb kann das russische Finanzsystem vorläufig wohl auch die Kapitalabflüsse ins Ausland verkraften. Im vergangenen Jahr sollen netto etwa 40 Milliarden Euro außer Landes gebracht worden sein – von ausländischen aber auch russischen Unternehmen, die ihr Geld gegen Wertverlust sichern wollen. Dieses Jahr könnte die Summe weit höher liegen. Manche Fachleute sprechen von umgerechnet 100 Milliarden Euro.
Dass die Finanzwirtschaft im Osten noch so relativ stabil aussieht, liegt zum guten Teil an den hohen Einnahmen, die russische Rohstoffkonzerne wie Gazprom in den vergangenen Jahren auf dem Weltmarkt erzielt haben. Die Gewinne aus Öl, Gas, Kohle und Metallen stecken in den großen Unternehmen und Banken. Deswegen sind diese, ebenso wie der russische Staat, gut kapitalisiert. Die Staatsverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung liegt bei etwa zehn Prozent – in Deutschland bei knapp 80 Prozent.
Die gegenwärtigen Sanktionen des Westens dürften der russischen Finanzwirtschaft deshalb einstweilen keine großen Sorgen bereiten. Sollte sich die Ukraine-Krise allerdings über das Jahr 2014 hinaus hinziehen, und würden die westlichen Staaten zusätzliche scharfe Sanktionen verhängen, könnte sich die Lage ändern. Nicht ausgeschlossen erscheint, dass dann die Währungs- und Kapitalreserven des Staates und der Institute schmelzen.
Die Commerzbank-Analysten rechnen damit allerdings nicht. Ein Wirtschaftskrieg zwischen Russland und dem Westen werde nicht ausbrechen, weil beide Seiten zuviel zu verlieren hätten. So empfiehlt das deutsche Institut Investoren schon jetzt, Neuinvestitionen in Russland zu prüfen. Gerade manche Wertpapiere russischer Banken stellten eine attraktive Geldanlage dar.