Die Steuerfahndung ist besser als ihr Ruf

Die Ermittler kooperieren länderübergreifend bei der Aufdeckung von falschen Steuererklärungen

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Von Wolfgang Mulke

29. Mai. 2013 –

Der Trick mit dem TÜV hat schon manchen Fahrschulleiter in Verlegenheit gestürzt. Denn wenn das Finanzamt dort nach der Zahl der Prüfungsteilnehmer fragt, ergibt sich mitunter eine Differenz zwischen den Angaben der Fahrschule über ihre Einnahmen und den zu vermutenden tatsächlichen Einkünften. Wird das Fahren „schwarz“ beigebracht, fällt es spätestens bei dieser Prüfung auf. Solche „hinterziehungsgeneigten Sachverhalte“, wie es der Mannheimer Steuerfahnder Alexander Scheidecker nennt, lässt die Beamten auch schon mal bei Gastwirten oder Apothekern genauer hinschauen.


Doch das sind die kleinen Fälle, mit denen sich die Spezialisten der Finanzverwaltung herumschlagen. Die Großen bringen dem Staat zusätzlich viel Geld ein. 2,2 Milliarden Euro waren es bundesweit im vergangenen Jahr. Allein in Baden-Württemberg erhöhte sich der eingetriebene Betrag 2012 von gut 350 Millionen Euro auf 580 Millionen Euro. Pro Fahnder macht das rechnerisch mehr als 1,8 Millionen Euro im Jahr. Auch deshalb stockt das Ländle die Zahl der Kontrolleure deutlich auf. Die Täter mussten neben den Nachzahlungen auf Strafen hinnehmen. Zusammen verurteilten Gerichte sie zu 229 Jahren Haft.


Scheidecker, der mit gegeelten Haarsträhnen, Zweitagebart und lässigem Anzug nicht dem Bild eines langweiligen Finanzbeamten entspricht, steht oft vor kniffligen Aufgaben. Eines der wichtigsten Aufgabengebiete der Ermittler ist Umsatzsteuerbetrug. „14 bis 15 Milliarden Euro gehen dadurch verloren“, erläutert der Fahnder und meint pro Jahr.


Der Trick sind so genannte Kettengeschäfte, von denen zuletzt ein großes mit Emissionszertifikaten aufgeflogen ist. Dabei verkaufte eine dänische Firma die Verschmutzungsrechte an ein Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Der innereuropäische Handel ist umsatzsteuerfrei. Die Rechnung für die Zertifikate stellte eine Hamburger Scheinfirma. Darauf war die Umsatzsteuer verzeichnet. Mit dieser Rechnung wiederum holte sich das Unternehmen aus NRW die Steuer vom Finanzamt zurück und verkaufte die Zertifikate weiter nach Hessen. Eigentlich müsste die Scheinfirma aus dem Norden die in Rechnung gestellte Steuer abführen. Das tat sie nicht. So kommt der Gewinn der Verbrecher zustande. Allein ein Drittel der Steuerfahnder ist mit dieser organisierten Kriminalität beschäftigt.


Obwohl die Finanzverwaltungen Sache der Länder sind, können die Fahnder bundesweit agieren. Deshalb hält Scheidecker auch wenig von einer zentralen Verfolgung von Steuerhinterziehern durch den Bund. Entsprechende Vorschläge werden in Berlin diskutiert. „Aus meiner Sicht besteht dafür keine Veranlassung“, sagt der Beamte. Auch der rheinlandpfälzische Finanzstaatssekretär Salvatore Barbaro hält die Länderzuständigkeit für zweckmäßig. Die meisten Fälle würden durch Betriebsprüfer entdeckt. „Die Steuerfahndung lebt davon“, betont er, „dass sie in den Ämtern angesiedelt ist.“


Manchmal helfen aber auch bei Banken geklaute Datensätze. Barbaro hat erst im Februar eine CD mit Schweizer Kontoinformationen über 40.000 Bundesbürger angekauft. „Da sind auch viele ehrliche Steuerbürger dabei“, verrät er. Aber etliche, die es nicht sind, haben danach Besuch von den Fahndern bekommen, bundesweit. Der Staatssekretär wundert sich nur, dass erstaunlich viele Hinterzieher noch immer nicht aus der Deckung kommen und sich selbst anzeigen, um straffrei auszugehen. Denn spätestens mit dem europaweiten Informationsaustausch werden ausländische Einkünfte nicht mehr zu verheimlichen sein.


Auch wenn die Erfolge der Steuerfahnder unverkennbar sind, haben sie doch auch Probleme. Es mangelt an IT-Fahndern, die in der Lage sind, aus den gewaltigen Datenmengen von Firmencomputern gerichtsverwertbare Verweise herauszufiltern. „Die Datenflut auszuwerten, ist hochkompliziert“, sagt Scheidecker. Und die hohe Arbeitsbelastung lasse eine normale Aufsicht, also Prävention gegen Hinterziehung, kaum noch zu. „Wir suchen die Minen im Wasser“, beschreibt er seine Aufgabe. Die lässt er dann hochgehen.


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