Die umstrittenen Effekte der Agrarspekulation

Foodwatch legt Studie vor, um die preistreibende Wirkung von Wetten mit Lebensmitteln zu belegen

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Von Hannes Koch

21. Nov. 2013 –

Die Finanzspekulation mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen kann zu Hunger und letztlich zum Tod von Menschen führen. Darüber, ob dieser schwerwiegende Vorwurf zutrifft, debattieren seit Jahren Politiker, Ökonomen und Entwicklungsorganisationen. Jetzt hat die Organisation Foodwatch eine neue Studie veröffentlicht, mit der sie unter anderem die Deutsche Bank angreift.

 

In den vergangenen Jahren stiegen die Preise auf den Weltmärkten für Agrarrohstoffe zweimal so stark, dass es in einigen Entwicklungsländern zu Revolten kam. Brot und andere Lebensmittel wurden so teuer, dass viele Leute sie sich nicht mehr leisten konnte. Eine wesentliche Ursache dafür seien die zunehmenden Summen, die Banken, Versicherungen und Investmentfonds in Wetten auf die zukünftigen Preise von Lebensmitteln investierten, argumentierte nicht zuletzt der ehemalige Greenpeace-Chef Thilo Bode, der die Organisation Foodwatch leitet. Diese versteht sich als Lobby für qualitativ hochwertige, sozial- und umweltverträglich hergestellte Nahrungsmittel.

 

Bodes These ist aber keineswegs unumstritten. Besonders Thomas Glauben, Direktor am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa, und sein Kollege Ingo Pies, Professor für Wirtschaftsethik der Universität Halle, nehmen die Gegenposition ein. Sie sehen einen „allenfalls geringen Einfluss“ von Finanzspekulationen auf die Preise von Agrarrohstoffen. Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau bezog sich auf die Untersuchungen der beiden Professoren, als er in einem Artikel für die FAZ im Januar 2013 schrieb: „Der Einfluss von Finanzanlagen auf die Preise für landwirtschaftliche Güter ist statistisch nicht relevant.“

 

Die neue Foodwatch-Studie, die der Bremer Ökonom Hans-Heinrich Bass verfasste, soll diese Position nun erschüttern. Seine zentrale These lautet, dass wesentliche Untersuchungen, die Glauben und Pies als Beleg für ihre Einschätzung heranzögen, fragwürdig seien. So habe ein US-Forscher, der keinen Zusammenhang zwischen Spekulation und hohen Preisen feststellte, selbst im Auftrag einer entsprechenden Finanzfirma gearbeitet.

 

Agrarökonom Glauben kontert diesen Vorwurf mit dem Hinweis, dass er sich keineswegs nur auf die Recherchen eines einzigen US-Forscherteams stütze, sondern zahlreiche Studien verwendet habe. Diese untermauerten seine These, dass es „keine erdrückenden Beweise für erhebliche Preissteigerungen“ infolge von Agrarspekulation gebe.

 

Foodwatch-Chef Bode lässt sich von solchen Argumenten nicht beeindrucken. Die Deutsche Bank forderte er am Donnerstag auf, gemäß des „Vorsorgeprinzips“ zu handeln. Entweder solle das größte deutsche Finanzinstitut die Spekulation im Nahrungsmittelsektor einstellen oder die „Unschädlichkeit dieser Transaktionen beweisen“.

 

Ein Sprecher der Deutschen Bank sagte dazu, man werde „Kunden auch weiterhin Finanzinstrumente auf Agrarprodukte anbieten“. Er betonte allerdings, dass die Bank auf diesem Feld keinen Eigenhandel betreibe, sondern nur im Auftrag von Kunden unterwegs sei. Bank-Volkswirt Folkerts-Landau argumentierte, dass „der Preisanstieg“ im Agrarsektor „primär eine Folge wachsender Nachfrage wegen des Bevölkerungswachstums sowie eines höheren Lebensstandards in den Schwellenländern ist.“

 

Im Gegensatz zur Deutschen Bank haben nach Angaben von Foodwatch andere Institute inzwischen erklärt, dass sie keine Agrarspekulation mehr betreiben wollten, darunter die DZ Bank und die Commerzbank. Auf europäischer Ebene diskutieren Rat, Kommission und EU-Parlament darüber, ob Obergrenzen für die Zahl der Kontrakte eingeführt werden, die Investoren täglich an den Warenterminbörsen handeln dürfen. Diese Limits könnten dazu beitragen, den Druck der Spekulation zu verringern. Auf welche Regelung die EU sich einigt, ist aber noch offen.

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