Die Unterschiede zwischen Arm und Reich wachsen

Niedrige Einkommen sinken, hohe steigen, analysieren die Wirtschaftsforscher des DIW. Sie warnen vor Abstiegsangst und Fremdenhass

Teilen!

Von Hannes Koch

15. Jun. 2010 –

Die soziale Spaltung in Deutschland hat im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen. Mehr Menschen sind arm und mehr sind reich, während die Mitte der Gesellschaft schrumpft. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer neuen Untersuchung zur Einkommensverteilung der Bevölkerung.


„Wir verzeichnen einen Trend zur Vergrößerung der Einkommensgegensätze“, sagte DIW-Forscher Jan Goebel am Dienstag, „diese Entwicklung hat sich seit dem Jahr 2000 noch etwas verstärkt“.


In den vergangenen zehn Jahren hat demnach der Anteil der Bürger mit niedrigem Einkommen von 18 auf 22 Prozent der Bevölkerung zugenommen. Parallel dazu dehnte sich auch das Segment der Reichen und Wohlhabenden von rund 15 auf rund 17 Prozent aus. Die dazwischen liegende Mittelschicht ging entsprechend zurück.


Ein geringes Gehalt beziehen laut Definition des DIW diejenigen Haushalte, die über nur 70 Prozent oder weniger des Medianeinkommens verfügen. Der Median beschreibt die Grenze, die die untere von der oberen Hälfte der Einkommensbezieher trennt. Während Geringverdiener-Haushalte 1999 durchschnittlich 685 Euro netto pro Monat zur Verfügung hatten, sank dieser Wert bis 2008 auf 645 Euro. 2009 lag er bei 677 Euro. Die Zahlen beziehen sich auf Single-Haushalte.


Während die Einkommen der Geringverdiener bis 2008 kontinuierlich sanken, verzeichneten die Wohlhabenden und Reichen einen überwiegenden Zuwachs. Ihr durchschnittlicher Haushaltsnetto-Verdienst stieg von 2.436 Euro (1999) auf 2.672 Euro in 2009. Nicht nur die Zahl der Ärmeren und Reichen hat also zugenommen, sondern zusätzlich hatten die Armen auch weniger Geld und die Reichen mehr.


Die dazwischen liegende Mittelschicht nahm prozentual zwar ab, konnte allerdings leichte Einkommenszuwächse erzielen. Ihr verfügbares Durchschnittseinkommen stieg von 1.270 Euro (1999) auf 1.311 Euro (2009).


Im Vergleich zum übrigen Jahrzehnt bildete das Jahr 2009 freilich eine Ausnahme. Wegen der Finanzkrise verstärkte sich die Spaltung nicht. Die Einkommen der Reichen sanken. Aber die unteren Einkommen verschlechterten sich nicht weiter, weil viele Arbeitsplätze durch die staatliche Förderung der Kurzarbeit geschützt wurden.


Die Ursachen dieser Polarisierung liegen unter anderem in politischen Maßnahmen. Beispielsweise infolge der rot-grünen Hartz-Gesetze seien die Einkommen der Niedrigverdiener gesunken, erklärte DIW-Forscher Markus Grabka. Umgekehrt hätten die Wohlhabenden von Steuersenkungen profitiert. Sollte die Bundesregierung ihre einseitigen Sparmaßnahmen im Sozialbereich wie geplant umsetzen, werde sich die soziale Schere weiter öffnen, sagte Goebel.


Die analysierte Entwicklung betrachtet der DIW-Wissenschaftler mit Sorgen. Denn bei Bürgern der Mittelschicht könne eine Angst vor dem sozialen Abstieg um sich greifen - „Statuspanik“, wie die Soziologen sagen. Es bestehe die Gefahr, dass diese Furcht zu Ressentiments gegenüber vermeintlich Schwachen und Fremden führe.


Info-Kasten

Steuererhöhung

Als Reaktion auf die zunehmende soziale Polarisierung forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund am Dienstag, die Steuern für Wohlhabende anzuheben. Die Vorschläge des Sozialverbandes VdK, der Linkspartei und der SPD gingen in dieselbe Richtung. Im Rahmen ihres geplanten Sparpakets zur Haushaltssanierung will die Bundesregierung jedoch nicht die Einkommenssteuer erhöhen, sondern vornehmlich im Sozialbereich kürzen. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich bekräftigte, dass es dabei bleibe.


Zahlen eine Grafiken:

DIW-Wochenbericht, u.a. Seiten 4,5

www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.357513.de/10-24.pdf

« Zurück | Nachrichten »