• Geoökonomin Claudia Schmucker, DGAP, Foto: DGAP

„Die USA werden unser Partner bleiben“

Aber Europa wäre auch „gut beraten, für sich selbst zu sorgen“, sagt Geopolitik-Expertin Claudia Schmucker zum Weltwirtschaftsforum in Davos und der Amtseinführung Donald Trumps.

Teilen!

Von Hannes Koch

19. Jan. 2025 –

Hannes Koch: Wenn am 20. Januar das Weltwirtschaftsforum in Davos beginnt, wird in Washington der neue US-Präsident Donald Trump ins Amt eingeführt. Keine gute Nachricht für Europa. Sollte und kann sich die EU unabhängiger machen von den USA?

Claudia Schmucker: Die USA ist die größte Wirtschaftsmacht der Welt, Europa neben China die zweitgrößte. Dabei handeln Nordamerika und die EU als gleichberechtigte Partner, beide genießen die Vorteile dieses Austausches. In der Sicherheitspolitik sieht es dagegen anders aus: Da ist Europa abhängig von den USA und auf deren Schutz angewiesen. Deshalb erscheint es aus dieser Sicht insgesamt problematisch, die transatlantische Partnerschaft in Frage zu stellen. Parallel wäre Europa gut beraten, für sich selbst zu sorgen, indem es seinen Binnenmarkt ausbaut, um mehr von den eigenen Stärken zu profitieren.

Koch: Die großen Wirtschaftsblöcke streben auseinander. Um Problemen mit China vorzubeugen, bauen hiesige Unternehmen deshalb Alternativen in anderen Ländern auf. Ist eine ähnliche Strategie der Risikominimierung auch gegenüber den USA nötig?

Schmucker: Die EU pflegt zu Recht eine größere Nähe zu den USA als zu China, und auch unter der Präsidentschaft von Donald Trump werden die Vereinigten Staaten unser Partner bleiben. Gegenüber China bestehen dagegen kritische Abhängigkeiten, wie die Europäische Kommission schon vor Jahren feststellte, etwa bei Rohstoffen wie den sogenannten Seltenen Erden. Da müssen Europa und seine Unternehmen unabhängiger werden und sich andere oder zusätzliche Lieferanten suchen. Eine solche Risikominimierung spielt bei den USA keine Rolle.

Koch: In entscheidenden Bereichen, etwa bei Hochleistungschips, Datenbanken und Künstlicher Intelligenz, ist Europa von US-Firmen abhängig. Erscheint es nicht dringend, über derart lebenswichtige Fähigkeiten auch selbst zu verfügen?

Schmucker: Das kann man so sehen. Ein solches Ungleichgewicht ermöglicht es der US-Regierung grundsätzlich auch, Druck auf Europa auszuüben. Wer dem vorbeugen will, muss ähnliche Kapazitäten hier aufbauen. Politische und wirtschaftliche Initiativen in diese Richtung verlaufen in Europa aber gerne mal im Sande.

Koch: Wie kann die EU ihre ökonomische Konkurrenzfähigkeit erneuern?

Schmucker: Vor allem, indem sie den Binnenmarkt der 27 Staaten und 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger stärkt. Weniger nationale Vorschriften, weniger Verwaltungsaufwand, mehr einheitliche Regeln für Banken und grenzüberschreitende Übernahmen von Unternehmen – solche Verbesserungen reduzieren die Kosten und schaffen finanziellen Spielraum für Investitionen. Die Firmen und Regierungen sollten auch deutlich mehr Mittel für Forschung und Entwicklung ausgeben.

Koch: Die Europäer versuchen, ihre Verbindungen zu anderen Staaten zu stärken. So hat die EU-Kommission gerade das Abkommen mit den vier Ländern des südamerikanischen Mercosur-Marktes unterschrieben. Welche Regionen kommen noch in Frage?

Schmucker: Auf jeden Fall Asien. Die EU sollte die Verhandlungen über die Freihandelsabkommen beispielsweise mit Indonesien, Thailand, Australien oder Indien vorantreiben, und zwar zügig.

Koch: Aggressive Mächte wie Russland und China versuchen, ihren Einfluss auch in Europa geltend zumachen. Sollte die EU deshalb schnell die Staaten aufnehmen, die dies wünschen, besonders den Westbalkan?

Schmucker: Die Erweiterung ist ein wichtiges Instrument. Auch dabei sollten die Verhandlungen schneller vorankommen. Die Verhandlungen mit Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien dauern leider viel zu lange. Seit geraumer Zeit laufen die Gespräche über die Mitgliedschaft mit der Republik Moldau, die unter starkem russischen Druck steht.

Koch: Bisher agiert die EU im Schutz der amerikanischen Militärmacht. Aber funktioniert deren Abschreckung überhaupt noch?

Schmucker: Ich gehe davon aus, dass Trump an der Nato festhält. Das weiß man jedoch nicht. Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zu dem Bündnis.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagt: „Wir müssen in dieser Welt Machtpolitik für die Demokratie machen.“ Richtig?

Schmucker: Parallel zur Nato geht kein Weg daran vorbei, dass sich die Europäer mehr um ihre eigene Sicherheit kümmern. Das wird auch beinhalten, zum Beispiel Seewege zu sichern – und insgesamt höhere Militärausgaben erforderlich machen. Dieses Geld steht dann für andere Aufgaben nicht zur Verfügung.

Claudia Schmucker leitet das Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

« Zurück | Nachrichten »