Die Weisheit der großen Gruppe
Kommentar zum Bahn-Klima von Hannes Koch
19. Jun. 2013 –
Wie oft hören wir im Radio die Meldung „Vorsicht, es liegen Reifenteile auf der Autobahn“? Wie häufig versagt das E-Mail-Programm seinen Dienst? Die Waschmaschine geht kaputt, obwohl sie gestern noch perfekt lief. Das Fahrrad hat wieder einen Platten. Technische Defekte sind normal – wie Fehler im Leben an sich. Nur die Deutsche Bahn AG darf solche nicht machen. Dann heißt es: „Sollte man liquidieren, den Saftladen, beim nächsten Mal nehme ich den Wagen.“
Gerade sind in einigen ICEs wieder die Klimaanlagen ausgefallen. Im Großraumwagen lag Aufruhr in der Luft. Die Unduldsamkeit der mobilen, schnellreisenden Zeitgenossen hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass das Unternehmen so effektiv ist. Im vergangenen Jahr transportierte die Bahn zwei Milliarden Passagiere (2.000 Millionen Menschen). Jeder Deutsche könnte 25 Bahnfahrten unternommen haben. Das heißt: Im Zug ist man immer unter Leuten. Es gibt viel zu erzählen. Und geht etwas daneben, ist man sich schnell einig, dass Mehdorn, oder Grube - oder wie heißt er noch, der Versager an der Spitze? - wieder alles falsch gemacht hat. Die Weisheit der großen Gruppe. Die Bahn kann einem leid tun.
Dabei klappt fast alles. Meistens ist man pünktlich, beinahe jedenfalls. Zeit und Preis sind konkurrenzlos: Berlin – Köln, 570 Kilometer, viereinhalb Stunden, 60 Euro mit Bahncard 50. Was will man mehr? Angesichts dieser Performance kann sich der Schienenkonzern einzelne blinde Flecken durchaus leisten. Bei der Berliner S-Bahn fallen manchmal die Züge aus, weil der Fahrer krank ist und ein Ersatzmann erst am nächsten Tag erscheint. Im Ernst. Macht nichts, die nächste S-Bahn kommt in 20 Minuten, wenn das Stellwerk nicht versagt. Vorsicht – wer sich jetzt bestätigt fühlt, sollte erst den Fehlerquotienten der Bahn ausrechnen. Der liegt im niedrigen Prozentbereich. Alles bedauerliche Einzelschicksale - angesichts der zwei Milliarden Fahrten.