Die Werbewirtschaft umgarnt die Älteren

Senioren werden mit Tieren, Kindern, Natur und Proben geködert

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Von Wolfgang Mulke

26. Aug. 2015 –

Glaubt man den Werbegurus, haben die älteren Menschen in Deutschland nur noch ihre Bequemlichkeit im Sinn. Gesundheit und Wellness, Ernährung, Reisen, Finanzen und Vorsorge, sind für die über 50-jährigen demnach die interessanten Themen. "Es geht um Verführung", sagt Andreas Reidl, Chef der Agentur für Generationen-Marketing (AGE) zu den Strategien, mit denen die Wirtschaft diese Generationen ködert. Ältere würden über Bilder von Tieren, Kindern und Natur gut erreicht.

 

Die Zeit, in der sich Reklame vor allem an die jüngeren Menschen richtete, sind längst vorbei. Denn für ein konsumfreudiges Leben sind die älteren Generationen bestens ausgestattet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verfügt jeder vierte Paarhaushalt im Rentenalter über mehr als 2.000 Euro netto im Monat. Ein Drittel kommt auf 1.300 Euro bis 2.000 Euro. Dazu verfügen die Älteren über den größten Anteil der Vermögenswerte und Immobilien. Und sie geben das Geld auch für andere aus, laut AGE allein sechs Milliarden Euro im Jahr für die Enkel.

 

Die Agenturen haben ihre Ansprache darauf ausgerichtet. Die Deutsche Seniorenwerbung (DSW) verteilt beispielsweise bundesweit "DSW-Glückstüten". Darin sind Warenproben, Gutscheine oder Produktinformationen enthalten – alles gratis, die "das Herz der Zielgruppe höher schlagen lassen", wie der Chef der Agentur, Mohammad Akhabach, erläutert. Oft spielen die Werbeprofis aber auch mit den Wünschen und Selbstbildern der Älteren. So werden frei verkäufliche Arzneien in den TV-Spots gerne von mittelalterlichen Darstellern beworben, obwohl sie eigentlich für Rentnerjahrgänge gedacht sind. Da sich die meisten Senioren viel jünger fühlen, als sie tatsächlich sind, geht diese Strategie anscheinend auf.

 

"Die Alten" gibt es längst nicht mehr. Im Fachmagazin Horizont wird schon der Vorschlag laut, die Werbung zwischen den verschiedenen Altersgruppen weiter auszudifferenzieren. Reidl hingegen unterscheidet vor allem zwischen zwei großen Gruppen: Den Senioren mit Einschränkungen und den gesunden Älteren. Die Schwächen in Anzeigen oder der Fernsehreklame auch zu zeigen, ist jedoch weitgehend tabu.

 

Immerhin nehmen die Unternehmen ihre Kundschaft zunehmend ernst. Denn ältere Konsumenten haben andere Bedürfnisse als junge und die Industrie trägt den veränderten Gewohnheiten nach und nach auch Rechnung. Rund 1.000 Senior Scouts hat Reidl insgesamt im Einsatz, die Produkte auf ihre Seniorentauglichkeit hin prüfen, zum Beispiel bei verdeckten Einkäufen oder fingierten Beratungsgesprächen in der Bank. Bei vielen Produkten seien Veränderungen notwendig, erläutert der Experte. Im Alter verändert sich zum Beispiel der Geschmack oder das Sehvermögen. Also muss sich hier und dort die Zusammensetzung der Nahrungsmittel oder die Aufschriften auf der Verpackung ändern.

 

Die Zielgruppe nimmt die wachsende Rücksicht auf sie dankend an und konsumiert. Noch nie waren die Senioren so fit und wohlhabend wie heute. Sie reisen viel, bilden sich weiter, surfen im Internet und kümmern sich um ihre Enkel. Das hat eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes kürzlich an den Tag gebracht.

 

Die wachsende mediale Präsenz von Senioren hat nach Einschätzung des Forschers Klaus Rothermund zwei Seiten. "Das Altersbild ist in den letzten Jahren stark in Bewegung geraten", sagt der Psychologieprofessor, der in einer umfassenden Studie gemeinsam mit der Uni Erlangen die Wahrnehmung der Senioren über die Generationen hinweg untersucht. Früher wurden ältere Männer oft als attraktiv dargestellt, gleichaltrige Frauen dagegen nicht. Heute können die Wissenschaftler keine Unterschiede mehr im Image messen. Dies ist ein positiver Teil der Entwicklung. Auch das einstige Tabuthemen wie die Sexualität im Alter mittlerweile Eingang ins normale TV-Programm gefunden haben, ist ein Zeichen für die Emanzipation der Rentnergeneration.

 

Auf der anderen Seite zeichnet insbesondere die Werbewirtschaft daas Bild einer höchst aktiven Seniorenschaft, die auf ihre Gesundheit und Ernährung achtet und aktiv finanziell vorsorgt. "Ich habe den Verdacht", gibt Rothermund zu bedenken, "dass nicht alles Zufall ist." Es sei politisch durchaus gewollt, angesichts der drohenden Einschnitte in den Sozialssystemen das Bild von eigenverantwortlichen Rentnern hoch zu halten. Das wiederum bringt die Kehrseite der Medaille mit sich. Denn die, welche aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mithalten können, passen in das positive Altersbild nicht recht hinein."Man müsste die Darstellung mit mehr Fingerspitzengefühl verbinden", fordert der Forscher.

 

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