Die Zeichen der nächsten Krise

Das Weltwirtschaftsforum in Davos diskutiert über Maßnahmen gegen einen erneuten Finanzcrash

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Von Hannes Koch

24. Jan. 2010 –

Nach dem Kollaps ist vor dem Kollaps. So sieht es Kenneth Rogoff, Ökonomie-Professor der Harvard-Universität in den USA. Deshalb bestreitet er ein Diskussionsforum beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das den sorgenvollen Titel „Die nächste globale Krise“ trägt. „Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft nehmen wieder zu“, sagt Rogoff, „und es wird zu wenig dagegen getan“.


Auch der diesjährige Kongress des World Economic Forums (WEF) steht ganz im Zeichen der Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten. Wenn sich Tausende Manager sowie Dutzende Regierungs- und Staatschefs ab kommenden Mittwoch (27.1.) zum alljährlichen Spitzentreffen der Wirtschafts- und Politikelite versammeln, gibt es im Kongresszentrum des Schweizer Skiorts Davos jede Menge Veranstaltungen zur Krise. Schon der Titel des WEF 2010 „Rethink, Redesign, Rebuild“ zeigt, dass die Erschütterungen der vergangenen zwei Jahre in vielen Vorstandsetagen das Bedürfnis ausgelöst haben, die ökonomische Weltordnung zu überdenken und neue Antworten zu suchen. Richard Samans, einer der Mitorganisatoren des WEF, bringt es auf diesen Punkt: „Wir stellen einen Wandel im Denken fest. Viele meinen, wir seien mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken zu selbstgefällig umgegangen“.


Zu den Selbstgefälligkeiten gehöre heute auch, so meint Kenneth Rogoff, dass die Regierung die ökonomische Unwucht auf dem Weltmarkt nicht ernst genug nähmen. „Ungleichgewicht“ - der Begriff mag harmlos klingen, beschreibt aber eine hochgefährliche Entwicklung. Aktuell verstehen Wirtschaftsforscher darunter diesen Mechanismus: Die USA betreiben eine Politik des billigen Geldes, um die Banken zu retten und die Wirtschaft vor dem Absturz zu bewahren. Die Verschuldung des Staates ist gigantisch, die Zinsen liegen nahe Null. Diesen Umstand nutzen viele Investoren aus, indem sie Dollar etwa gegen chinesische Renmimbi tauschen. Weil die Zinsen in China viel höher sind, verspricht der „Carry Trade“, die Milliarden-Verlagerung von Niedrigzins- in Hochzinsländer, schöne Gewinne. Problematisch daran ist, dass sich die schnellen Kapitalimporte ebenso schnell in Kapitalexporte verwandeln können, die zu Preisverfall, Firmenzusammenbrüchen und Arbeitslosigkeit führen.


Die Frage ist nun, was man gegen diese Entwicklung tun kann. Eine Möglichkeit: Brasilien und Taiwan haben bereits Beschränkungen für den Import von Kapital eingeführt, obwohl dies gegen die Idee des freien Kapitalverkehrs verstößt. In Brasilien müssen Investoren mittlerweile eine zusätzliche Steuer auf importiertes Geld zahlen. Grundsätzlich in den Griff bekommen könnten die Regierung die Ungleichgewichte jedoch nur, wenn sie sich einer koordinierten Wechselkurspolitik befleißigten. Dadurch ließen sich die Zinsdifferenzen beispielsweise zwischen dem chinesischen Renmimbi und dem Dollar verringern, was auch den spekulativen Geldbewegungen teilweise die Grundlage entzöge.


Beschlüsse dazu allerdings sind in Davos nicht zu erwarten. Dient das Weltwirtschaftsforum in der Regel doch eher philosophischen Zwecken. Viele Manager und Politiker nehmen sich ein paar Stunden Zeit für grundsätzliche Gedanken abseits der unmittelbaren Geschäftspolitik. Dazu gibt es auch dieses Jahr wieder mannigfaltige Gelegenheit. Die Palette der Veranstaltungen reicht von „Kunst im digitalen Zeitalter“ bis zu „Den Marktkapitalismus überdenken“.


Das Weltwirtschaftsforum

Rethink, Redesign, Rebuild“ (Überdenken, Umgestalten, Erneuern) lautet die Überschrift des diesjährigen World Economic Forums (WEF) im Skiort Davos. 1971 gegründet, empfängt der Kongress dieses Jahr 2.500 Teilnehmer, darunter rund 900 Spitzenmanager von Unternehmen und Vertreter von 30 Regierungen. Mit dabei sind etwa EU-Präsident José Manuel Barroso, der mexikanische Präsident Felipe Calderón, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, Lee Myung-Bak, Präsident von Südkorea und Benjamin Netanyahu, der israelische Ministerpräsident. Aus Deutschland kommen Außenminister Guido Westerwelle und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle. Den repräsentativen Vorsitz der Veranstaltung hat unter anderem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann übernommen. Klaus Schwab, der Gründer und Chef des WEF, erhebt den Anspruch, mit seiner Veranstaltung „den Zustand der Welt zu verbessern“. Die Gäste schätzen den Kongress, weil er eine Mischung bietet aus Business-Terminen, politischem Bildungsurlaub und Skilaufen. Das WEF wird getragen von einer Stiftung, der die 1.000 größten Konzerne der Welt angehören.

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